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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Wundstarrkrampf.

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berichtet, aber meist als Täuschungen erkannt, mitunter aber warendie Kranken schlauer als ihre Aussichtsorgane. Wenn Jolly dieHysterie, Hypochondrie und Neurasthenie als zusammengehörigeKrankheiten auffaßt, so wurde seine Ansicht durch die Forschungender letzten 20 Jahre umgestoßen: vielleicht daß man mit der Klassi-fizierung weitergegangen ist, als sich durch die Thatsachen recht-fertigen läßt. Die Behandlung der Krankheit hat große Wand-lungen gemacht. Seitdem man eingesehen hat, daß man es nichtmit boshaften Menschen, sondern mit Kranken zu thun hat, derenCharakter sie eben manchmal zu schlechten Streichen verführt, istman milder geworden und faßt die schweren Fälle als Psychosenauf, d. h. man behandelt sie in den Irrenanstalten, wo sie un-schädlich gemacht werden köuneu. Wenn es in den Anstalten auchnicht gelingt, sie zu heilen, so wirkt doch die Ordnung und dieDisciplin der Anstalt bessernd und beruhigend. Elektricität undHydrotherapie werden vielfach angewandt, noch mehr die Hypnose,außerdem werden die jeweils hervorstechenden Symptome nach denallgemeinen Regeln der Medizin behandelt. So manche Hysterica,die noch vor zwei Jahrhunderten zweifellos aus dem Scheiterhaufengeendigt oder Dutzende von Menschen auf den Scheiterhaufen ge-bracht hätte, führt jetzt in der Heilanstalt ein zufriedenes Leben.Der Tetanus oder Wundstarrkrampf ist schon seit Altersher bekannt, aber erst die zweite Hälfte des vergangenen Jahr-hunderts brachte Klarheit in die Erkenntnis dieser schrecklichenKrankheit. Man fand, daß derselbe nach Erkältungen und nachVerletzungen auftritt; mitunter wirken, wie Larey und Schmuckergesehen habeu, beide Schädlichkeiten zusammen. Meist sind eskleine Verletzungen und nach Curling solche der Extremitäten.Namentlich die Chirurgen, die auf deu Schlachtfeldern die Krankheitstudiereu konuten, haben großes Interesse an der Erforschung dereigentlichen Ursache und Roser stellte schon vor langer Zeit inÜbereinstimmung mit anderen Chirurgen die Behauptung auf, daßes sich um eine zymotische Krankheit handelt. Erst Briegergelang es (1888), zn zeigen, daß sich in fanlenden Flüssigkeitenneben den schädlichen Bakterien chemisch wirkende, septische Gifte(Ptomaine) entwickeln, welche den Tetanus hervorrufen. Auf diesem