570 X. Geistes- und Nervenkrankheiten nnd gerichtliche Medizin.
schon von Exorcismus sprach, loste sich noch rascher. Wir wärenauf oiese Symptome nicht so eingegangen, wenn sie nicht kultur-historische Bedeutuug hätten: welcher unendliche Aufschwung ist inder Wissenschaft eingetreten, seitdem die letzte Hexe verbrannt wnrde,was hat die Technik für gewaltige Fortschritte gemacht? Ein Eisen-gürtel umspannt die Welt, wir sprechen mit Menschen, die Tausendevon Kilometern von uns getrennt sind, wir telegraphieren unsereMitteilungen durch die Lüfte, überall frisch pulsierendes Leben, dasnach vorwärts drängt — und das stolze Gebäude von Wissen undKönnen bläst gleich einem Kartenhaus ein Luftzug um: die krank-haften Anfälle einer Hysterica werden für ernst genommen uudfüllen die Spalten der Zeitungen, zu dem wuuderthätigen Mauue,der durch Handauflegen die Siechen heilt, strömt die Menge, dasheilkräftige Ol, das an gewissen Tagen aus den Knochen derHeiligen schwitzt, wird als Arcanum hochgehalten, wie anch diePetrolenmtropfen, die sich auf dem Tegernsee als Zeichen einerbescheidenen unterirdischen Petroleumquelle finden, als Olsmri8ancti (Zuirini ihre stillen Verehrer haben; Mensch bleibt immerMensch; Bildung nnd Wissen ist nur ein Firniß, in der Seelewird es nur bei wenigen Tag! —
Die hysterischen Geistesstörungen fanden eine große Zahl vonBeobachtern, unter denen unter den Franzosen Legrand dnSaulle, Moreau, Charcot, Tardieu, Dupouchel, Gnibotund Briquet obenan stehen, in Deutschland haben sich Grie-singer, Limann, Jolly, Brosius und Krafft-Ebing mit derErforschung dieser iuteressanten Zustände eingehend abgegeben.Letzterer unterscheidet transitorische Jrreseinsformen, protrahierteDelirien uud hysterische Psychosen, die meist uuter dem Bilde derParanoia verlaufen. Eine klassische Schilderung des hysterischenCharakters lieferte uus Jolly, der auch auf die unglanblichenVerirrnngen der Kranken zu sprechen kommt, mit denen es ihnennicht selten gelingt, ihre Umgebung, sogar die ärztliche zu täuschenSo hat 1858 Seitz die Krankengeschichte eines Mädchens ver-öffentlicht, welchem Obstkerne aus den Augen sprangen, und dieeiner Frau, die mehrere Dutzende lebendiger und toter Krötengebar. Ähnliche Beobachtungen wurden von anderer Seite