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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Morphinismus.

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fordert nicht wenige Opfer, wie es andererseits bekannt ist, daßmanche ganz unglaubliche Mengen von Chloralhydrat zu sichnehmen und vertragen. Die Abhängigkeit von solchen Giften rächtsich früher oder später durch Abnahme der geistigen Kräfte, wiedas ja auch gar nicht anders zu erwarten ist. Es scheint übrigens,als ob in den letzten 10 Jahren der Trieb nach Morphium undähnliche» Mitteln ein geringerer geworden wäre, wahrscheinlichdeswegen, weil man in der inneren Medizin auch weniger vondieseu Mitteln Gebrauch macht. Außerdem dürfte die ftreugeAufsicht die widerrechtliche Abgabe des Mittels iu gewissenSchrauken halten, obwohl es öffentliches Geheimnis ist, daß mautrotz aller Gesetze anch heute noch Morphium kilogrammweisehaben kann.

^ gerichtliche Medizin

ist kein Kind des 19. Jahrhunderts, sondern schon bei den Römernzeigte sich die Notwendigkeit, zn gewissen Rechtsfragen und zurVerwaltung ärztlichen Rat beizuzieheu. Da aber die Fortschritteauf den übrigen Gebieten der Medizin auch vvu den Gerichts-ärzten ausgenützt wurden, so läßt das vergangene Jahrhunderteinen großen Fortschritt erkennen. Vor allein ist Chr. H. A.Henke (17751843) zu erwähnen, welcher in Erlangen lebteund 1812 sein später berühmt gewordenesLehrbuch der ge-richtlichen Medizin" erscheinen ließ. Eigentlich Kinderarztkam er ganz zufällig auf das Studium derStaatsarznei-kuude" und als sein Buch, welches zehn Auflagen erlebte, ein-geschlagen hatte, blieb er dem nenen Fache treu, das er durcheine Reihe von weiteren Arbeiten: über die Bestimmung der Tödlich-keit von Verletzungen, über die Lebensfähigkeit der Frühgeburten,die Ausgrabung von Leichen zum Zwecke der Obduktion, über dieZurechnungsfähigkeit bereicherte. SeineZeitschrift für dieStaatsarzneikunde", welche von 1821 ab 22 Jahre herausgegebenwurde, war ein unentbehrliches Hand- und Nachschlagebuch fürArzte nnd Juristen. Man sieht in Henke den Gründer derdeutschen gerichtlichen Medizin. Die geburtshilfliche Seite derGerichtspraxis schilderte Ludwig I. K. Meude (17791832) iu