Druckschrift 
Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
Entstehung
Seite
620
Einzelbild herunterladen
 
  

620

XI. Zoologie.

und die geschlechtliche Zuchtwahl". Darwiu kam darin zuden? Schlüsse, daß der Meusch zu einer gewissen Zeit sich aus einerTierart entwickelt hat, die jetzt nicht mehr vorhanden ist, aber dochden jetzt lebenden Assen körperlich am nächsten kommt. Er bewiesdieses dadurch, das; das Affenskelett, wenigstens der höheren ihrerGattung, dem menschlichen am nächsten kommt und zeigte, daß wiran unserem Körper rudimentäre Orgaue haben, die uns jetzt nichtsmehr nützen, aber von Nutzen waren, als wir noch unter anderenäußeren Bediugungeu lebten. So erinnern die Wirbel des Steiß-beines an einen rudimentären Schwanz, der Blinddarm, der soviel Unglück angerichtet hat und absolut überflüssig ist, an eineZeit, wo unsere Vorfahren Wiederkäuer waren. Ein Hauptstütz-puukt war die Thatsache , daß man versteinerte Reste von hoch-entwickelten Affen in Erdschichten sand, in denen von Menschenkeine Spnr zu finden war. Die Lehre zündete, als wäre einFunke in ein Pulverfaß gefallen; die Naturforscher stellten sich viel-fach sofort auf die Seite des kühnen Denkers, aber alle diejenigen,welchen die Überlieferungen der Bibel angetastet schienen, erhobenihre Stimme gegen die Irrlehre, der freilich noch ein Glied in derFolge der logischen Schlußsätze fehlte, es war nämlich nicht ge-lungen, ein Skelett zn finden, welches einem sogenannten Übergangs-menschen oder Übergangsaffen zugeschrieben werden konnte. Diesesgelang erst nach dem Tode Darwins , indem man auf der InselJava Teile eines Skeletts entdeckte, die eine Übergangssorm zwischendem Menschen und dem heutigen Gibbonaffen darstellen. EinJahr später gab Darwin noch eine Ergänzung zu seinem großenWerk heraus:Ausdruck der Gemütsbewegungen bei denMenschen und den Tieren." Damit war Darwins Schaffens-kraft im großen Ganzen erschöpft, aber auch sein Lebenswerkerfüllt; er legte noch den Grund zu einer Selbstbiographieund ließ das schöne Werkchen über dieBildung der Ackererdedurch die Thätigkeit der Würmer" erscheinen (1881). Aneinein Frühlingstage des Jahres 1882 verließ der unsterblicheMann die Welt, der er so vieles geschenkt hatte, und ein Leben,daS ihm 40 Jahre Krankheit auferlegt hatte. Noch immer wogtder Streit für uud wider! Aber die größte Zahl der Naturforscher