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Geschichte der organischen Naturwissenschaften im neunzehnten Jahrhundert : Medizin und deren Hilfswissenschaften, Zoologie und Botanik / von Franz Carl Müller
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Natürliche Zuchtwahl,

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Da aber alles in der Welt sich nach unabänderlichen Gesetzenregelt und nichts durch den Zufall entsteht, so mußte Darwin daran gelegen sein, die Ursachen für die Veränderungen der einzelnenArten zu finden, wenn seine Lehre nicht bloß ein Phantasiegebildesein sollte. Und gerade dieser Teil der Descendenztheorie ist derwertvollste, weil geistreichste. Darwin erklärte die Umwandlungendurch die natürliche Zuchtwahl, welche durch den Kampf umsDasein hervorgerufen wird. Hier konnte Darwin seine Kenntnisseals Landwirt verwerten, die ihm täglich zeigten, daß ein geschickterTierzüchter diejenigen Eigenschaften ausbilden kann, welche von ihmgerade gewünscht werden; so haben die schweren Lastpferde denselbenStammbanm, wie die leichtfüßigen Rennpferde, aber weil derZüchter nur solche Tiere sich Paaren ließ, welche die ihm am meistenZusagenden Eigentümlichkeiten (Schnelligkeit, Größe, Kraft) hatten,so kam er im Laufe der Jahrzehnte auf dem Wege der künst-lichen Zuchtwahl zu einer Tierart, welche den Zusammenhang mitder Mutterart kaum mehr erkennen läßt.

Anders steht die Sache mit der natürlichen Zuchtwahl. Wirhaben schon an einer früheren Stelle andeuten können, daß dieErde bald keinen Platz mehr Hütte, wenn alle Keime, welche produziertwerden, auch thatsächlich zur Entwickelung kämen. Die meistengehen zu Gruude durch ungünstige äußere Verhältnisse, durch dieGewalt starker Tiere oder feindseliger Kleinlebewesen uud nurdiejenigen bleiben am Leben, welche entweder im Kampfe umsDasein sich den Lebensbediugnugen am besten anschmiegen können,also die besten Eigenschaften für das Leben mitbringen, oder welchedem Zusammentreffen günstiger Umstände ihre fortschreitende Existenzverdanken. In dem unaufhörlichen Kampf des Stärkeren mit demSchwächeren ist die Garantie geboten, daß die Erde nicht über-völkert wird nnd daß auch nur das Dauerhafte bestehen bleibt.Es Passen sich die Tiere den äußeren Umständen derartig an, daßz. B. auf sturmumsausteu Inseln sich mehr ungeflügelte Insektenfinden, weil die geflügelten ins Meer getrieben werden. Auf dem-selben Princip beruht die sympathische Färbung. So habendiejenigen Tiere, welche auf Schneefeldern leben, ein weißes Kleid,

Weil eben im Laufe der Zeit alle anders Gefärbten ihren Feinden

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