5.1!
1800 bis 1830: Die drei Weltanschauungen.
Und individualistisch war, wie wir gesehen haben, auch dasklassische Ideal der Nenhumanisten, nnd war es in dem Maße nochmehr, als dieser Neuhumanismus zugleich auch aristokratisch war.Der Bilduugstrieb aller dieser Menschen richtete sich darauf, sichzur schönen und harmonischen Persönlichkeit durchzuarbeiten undwahres Menschentum fein und rein in sich zum Ausdruck zu bringen!das erfüllte sie und ließ in der Stille seines bewegten und lebens-vollen Innern jeden Einzelnen von ihnen ganz nur mit sich selbstbeschäftigt sein. Von Beziehungen zu anderen stand ihnen daherdie Freuudschast mit gleichgestimmten nnd gleich hochstehenden Seelenan erster Stelle; denn ihr unterzog man sich freiwillig uud in ihrfand man deshalb anch volles Genüge. Schiller und Goethe iuihrem Freundschaftsverhältnis zu einander sind dafür typisch, undin anderer Weise ist es auch der Briefwechsel Wilhelm von Hum-boldts mit Charlotte Diede , den er ganz für sich, vor Frau undKindern verborge!?, jahrelang geführt hat und an dem uns nebeuallem Schönen und Feiueu die Spuren von Eitelkeit und geistigerGenußsucht doch immer unangenehm berühren: es zeigt sich darindie Gefahr einer derartigen geistigen Sublimierung und Bildungs-gourinandise.
Solche durchgearbeitete Persönlichkeiten gab es auch in derNomantik, ein Bildungsvirtuose war Schleiermacher so gut wieHumboldt . Im übrigen aber war hier das alles gesteigert nndpotenziert, outriert und ins Maßlose verzerrt: das Recht und dieMacht des genialen Einzelnen, der sich nicht binden ließ durchGesetz, Sitte und Kouvention der gewöhnlichen Philistermoral undsich ausleben wollte iu schrankenloser Freiheit des eigenen Fühlensnnd Geuießens, steigerte sich bis zur Verabsolutiernug und bis zumGlauben an die wunderwirkende Allmacht des Jndividnums nndbis zum frivolen Spiel mit allem, was sonst über jeden Gedankenan Spiel erhaben ernst und fest zn stehen schien in Welt undLeben; hier war man cynisch und aristokratisch zugleich, derBildnngs-hochmut gab dafür die Vermittelung. Und dem Individualismuswidersprach auch die Flucht fo vieler von diesen ganz subjektivgerichteten Menschen in die Vergangenheit einer individnallosenZeit und in den Schoß einer alle Subjektivität vernichtenden Kirche