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1800 bis 1830: Preußens Fall und Wiederaufrichwng.
und Empfinden, und damit war Begriffen wie Offenbarung, Glanbe,Eingebung, heilige Schrift, das Existenzrecht wieder zurückgegeben,das sie in ihrer orthodoxen Fassung der rationalistischen Kritik gegen-über nicht hatten behaupten können.
Aber aus den Kreisen der Romantik entsprungen war diesegefühlsmäßige Auffassung eine Gesahr, weil sie gar zu leicht sichmit den auderen Tendenzen derselben, besonders den ästhetischenund reaktionär mittelalterlichen verbinden konnte. Friedrich Schlegel ,der ihnen als erster zugejubelt hatte, freilich ohne sie in ihrempositiv aufbauenden Sinn zu verstehen, suchte bald darauf seinenFrieden im Schoß der mittelalterlich-römischen Kirche und trat indie Dienste MetternichS . Und sachlich können auch wir in der inden Reden formulierten Auffassung des Religiösen als Mangelhervorheben, daß sie im Gegensatz zn der moralisierenden Aufklärungdem Sittlichen zn wenig Platz und Wert eingeräumt habe in uud fürdie Frömmigkeit; berufen konnte sich freilich für die Thatsächlichkeitdieses negativen Verhältnisses Schleiermacher gerade damals aufden romantischen Kreis selber, der es in seinem Leichtnehmen mitder Ehe z. B. aä oeulos demonstrierte, daß man fromm und sittenloszugleich sein könne. Für sich aber hat er den Mangel dadurchergänzt, daß er den Reden die Monologen zur Seite stellte; undin seinen Predigten durchdrungen sich ohnedies das Religiöse unddas Sittliche zu einer unauflöslichen Einheit. Und das war es über-haupt: wenn diese Gefühlsreligion weite Kreise gewinnen, wennReligion überhaupt wieder eine selbständige Macht uud Bedeutungerlangen sollte auch in den Kreisen der Bildung, wo man ihrzuletzt verächtlich den Rücken gekehrt hatte, so mnßte sie sich mitsittlichen Teudeuzeu verbinden und mit sittlichem Inhalt erfüllen.Und auch das kam: Not lehrt beten! Die Not der Zeit von1806 bis 1815 hat die Deutschen wieder beten, wieder religiösempfinden gelehrt und ihnen gleichzeitig den Wert von Charakterund Sittlichkeit wieder zum Bewußtsein gebracht. Wir dürfen janur an die Dichter der Freiheitskriege denken und an ihre Lieder,die am Wachfeuer und auf dem Marsch gesungen wurden, an dasKörnersche „Bater, ich ruse dich!", an das Arndtsche „Der Gott ,der Eisen wachsen ließ, der wollte keine Knechte", an das Schenken-