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1800 bis 1830: Preußens Fall und Wiederaufrichtung.
freigesinnter Geist wie Schleiermacher oder Fichte, sondern eine soraffinierte Person wie die Fran von Krüdener und ein so eitlerPhrasenr und Phantast wie Alexander I. von Rußland gestanden hat.
Es war ja ein ideal schöner Gedanke, die Grundsätze desChristentums zur Unterlage der Politik eines ganzen Erdteils zuerheben, seitens der Fürsten ein großes Versprechen, ihre Völkerhiufvrt nnr als Zweige einer nnd derselben christlichen Nationbetrachten, als Bevollmächtigte der Vorsehung regieren, dieBeziehungen der Staaten untereinander nnd die innere Verwaltungder einzelnen Lander ans die Vorschriften des Christentums, aufGerechtigkeit, Liebe und Friede gründen und wie Familienväterihren Unterthauen gegenüberstehen zu wollen. Und es war anchwirklich in jenem Augenblick der Ausdruck für das Gefühl der Zu-sammengehörigkeit, das nach der Niederwerfung Napoleons dieVölker und Fürsten Europas beseelte. Allein beim Lichte desWerktages besehen war es doch nur ein phantastisch andächtigesSchwärmen ohne Kraft und Willen zum Guten, und unter denHänden Metternichs verwandelte es sich für die Völker rasch genugin den schwersten Flnch. Denn dadurch ist in den leitenden Kreisender unheilvolle Gedauke recipiert worden, daß die Religion einestaatserhaltende Macht und ein Machtmittel zur Staatserhaltungsei; jene tadls convsnris von der Znsammengehörigkeit von Thronnnd Altar, die Novalis gedichtet hatte, fand nun ihre Glänbigen.Das machte die Rechtgläubigkeit und den mit ihr sich verbindendenPietismus uach oben wohlgelitten und verdarb so im ersten Keimviel Schönes und Herrliches. Der oben schon erwähnte WunschSchleiermachers , daß „nie der Saum eines priesterlichen Gewandesden Fußboden eiues königlichen Gemachs möchte berührt und nieder Purpur deu Staub am Altar, möchte geküßt haben", erwiessich gerade damals als vollauf berechtigt. Denn die damit ein-geleitete Verbindung der Religion mit der Reaktion hat nnferganzes Jahrhundert hindurch die Religion aufs schwerste geschädigt.Und deshalb wandten sich auch in allen Perioden desselben diepolitischen Oppositionsparteien gegen die Kirche und die Religion,weil sie in ihr die Verbündete der Herrschenden sahen; nnd dahertreiben auf der anderen Seite so viele ein heuchlerisches Spiel mit