Print 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Place and Date of Creation
Page
112
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

112

1800 bis 1830: Nach den Befreiungskriegen.

Krieg gezogen waren, sind nicht radikal. Und solche Wünsche warenauch nicht etwa nnr die Losung einer Partei wie heutzutage, son-dern sie entsprachen der Anschauung des ganzen preußischen, desganzeu deutscheu Volks, und Wortführer wie Dahlmann im Nordenoder Anselm Feuerbach im Südeu bürgten sür die Maßhaltnng undGerechtigkeit auch im Wünschen uud Fordern.

Da kam, was niemand gefürchtet, niemand für möglich gehal-ten hatte: nach den herrlichen Siegen zunächst ein unbefriedigen-der Friedensschluß, der altes Unrecht nicht sühnte nnd die deutschenGrenzen uicht schützte; die Diplomaten verdarben mit der Feder wirklich,was das Volk in Waffen gut gemacht hatte. Uud auf dem WienerKongreß, wo die Fürsten Europas in einem Meer von Verguügungenzeigen zu wollen schienen, daß sie es an Würdelosigkcit mit Napo-leons Bruder auf der Wilhelmshvhe aufnehmen können und vonder Frivolität deS cmoien rs^ims uichts vcrgesseu haben, wurde nichtdie alte deutsche Kaiserherrlichkcit wieder ins Leben gerufen odergar Preußen die Führung in Deutschland anvertraut, sondern derBundestag in Frankfurt eingerichtet, der nur den Schatten derEinheit, nur eiu loses Bundcsverhältnis gab und sich rasch nochviel bcdeutuugsloser und erbärmlicher, noch viel macht- nnd recht-loser herausstellte, als man erst hatte ahnen können. Der Kampfder preußischen Staatsmänner und der deutschen Patrioten, ihreBemühungen, wenigstens auf einigen Punkten Einheit zu schaffen,durch Denkschriften die Fürsten , durch Flugschriften die öffentlicheMeinung dasür zu gewinnen, waren vergeblich gewesen: an demNeid der Großen und an der Selbstsucht uud dem partikularistischeuMachtgcfühl der Kleinen lind nicht znm wenigsten auch an dereigenen Unklarheit der Stimmführer und der öffentlichen Meinungscheiterte alles, der Partiknlarismns behielt recht anch im Be-wußtsein des Volks, das in ihm eine berechtigte Eigentümlichkeitder Deutschen sah.

Nicht besser erging es den Versuchen znr Lösung der Ver-fassuugsfrage. Zwar enthielt die Bundesaktc in K 13 die Bestimmung:in allen BnndeSstaatcn wird eine landesständische Verfassung statt-finden"; aber war das eine Zusage oder eine Verpflichtung? Garbald konnte man den Spott hören, daß die Bundesakte dnrch diesen