DaS Erwachen des Politischen Bewußtseins.
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Paragraph für alle BundeSstaaten ja eine Verfassung nur prophe-zeit habe, nnd Prophezeiungen — daß Gott erbarm! Nur ineinzelnen kleinen Staaten, allen voran in Weimar unter Karl Augnst,beeilte man sich das Wort einzulösen; in Süddeutschlnnd folgte manin den Jahren 1818 und 1819 nach. Dabei kam es teilweise znernsten Kämpfen, die die öffentliche Meinung heftig erregtem, vorallem in Württemberg , wo für „das gute Recht" mit viel Leiden-schaft gestritten wurde. Nur schade, daß es in Wahrheit ein gänz-lich veraltetes und herzlich schlechtes Recht war; nnd nicht einmaldas Recht stand anßer Frage, da die alte landständische Verfassungja mir für die alten Landesteile, aber nicht für die in der Napo-leonischen Zeit hinzugekommencn neuen zurecht bestand. Keiner hatdas schärfer ausgesprochen als Hegel, der sich mit aller Entschieden-heit auf die Seite des Königs Friedrich I. und seines Ministersv. Wangenheim stellte und deu Widerstand der Lnndstände gegendie ihnen vorgelegte Verfassung als einen „Schwabenstreich" bezeich-nete. Von ihnen könne man fagen, „sie haben nichts vergessen undnichts gelernt; sie scheinen diese letzten 25 Jahre, die reichsten Wohl,welche die Weltgeschichte gehabt hat, und die für uns lehrreichsten,weil ihnen unsere Welt uud unsere Vorstellungen angehören, ver-schlafen zu haben. Es konnte kaum einen furchtbareren Mörsergeben, um die falschen Rechtsbcgriffe nnd Vorurteile über Staats-verfassnngen zu zerstampfeu, als das Gericht dieser 2S Jahre, aberdiese Landstände sind unversehrt daraus hcrvorgegaugen, wie sie vor-her waren. Altes Recht und alte Verfassung sind ebenso schöne,große Worte, als es frevelhaft klingt, einem Volke seine Rechte zurauben. Allem ob das, was altes Recht und Versassung heißt,recht oder schlecht ist, kanu uicht auss Alter ankommen; auch dieAbschaffung deS Menschenopfers, der Sklaverei, des Feudaldespotis-mus und unzähliger Infamien war immer ein Aufheben von etwas,das eiu altes Recht war. Man hat oft wiederholt, daß Rechte nichtverloren gehen können, daß hundert Jahre Unrecht kein Recht machentonnen, — »tan hätte hinzusetzen sollen: wenn auch das hundert-jährige Unrecht diese hundert Jahre lang Recht geheißen hätte;serner daß hundertjähriges uud wirkliches positives Recht mit Rechtzu Gruude geht, wenn die Basis wegfällt, welche die Bedingung
Ziegler, die geistigen u, socialen Strömungen des 19. Jahrh. 8