Druckschrift 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
114
Einzelbild herunterladen
 

114

1800 bis 1880: Nach den Befreiungskriegen,

seiner Existenz ist. Wenn man das Belieben hat, leeres Stroh zndreschen, so mag man behaupten, daß dem einen Ehegatten auch nochnach dem Tode des andern sein Recht auf den andern, dem Kans-mann, dessen Schiff von der See verschlungen worden, uoch seiuRecht auf dasselbe verbleibe. Es ist von jeher die Kraukheit derDeutschen gewesen, sich an solchen Formalismus zu hängen unddamit herumzutreiben. So ist denn auch noch bei dieser württem-bergischen Ständeversammlung beinahe der ganze Inhalt ihrerThätigkeit aus die uusruchtbarc Behauptung eines formellen Rechtsmit Advvkateneigensinn beschränkt. Aus diesem Eigensinn, da sichin dem Formalismus des positiven Rechts nnd dem Standpunktdes Privatrechts zn halten, wo es sich vom vernünftigen und vomStaatsrecht handelt, folgt für die Geschichte ihrer anderthalbjährigenVerhandlungen, daß sie höchst leer an Gedanken sind, und sür einenso großen Gegenstand, als der ihnen vorgelegte, die sreie Ver-sassung eines deutschen Staats jetziger Zeit, wenig oderfast nichts Lehrreiches enthalten."

Allein die Stimme des Philosophen war in diesem Fall dieeines Predigers in der Wüste. Die Klänge, die in diesen KämpfenLudwig Uhlaud auf seiner politischen Leier so kräftig anschlug,fanden nicht nur in Schwaben, sondern überall da ein gewaltigesEcho, wo die Regierungen zögerten, hinhielten nnd schließlich ver-sagten. Gewiß war es, wie dreißig Jahre später im FrankfurterParlament bei der Kaiserfrage, der romantische Schimmer, der sichdem Dichter vor das klare Auge des Politikers zog und diesestrübte; ihm erschien das Alte in einem poetisch verklärten Lichte,weil es grau vor Alter und seiner Zeit wider alles Recht weg-gefegt worden war. Und unsympathisch war ihm, dem schwäbische!?Partikularisteu, der Vertreter des besseren Neuen, Wangenhcim,dem er als einem Fremden zurief:

Du meinst es löblich, doch du hastFür unser Volk kein Herz.

Aber eine politische That waren diese vaterländischen Gedichtedoch. Wo hat seit dem Zeitalter der Nesormation ein deutscherDichter es gewagt, so direkt einzngreiseu in das politische Lebenseines Volkes und Staates? Wohl war Schiller ein Dichter der