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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die Burschenschaft .

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An das Schicksal der Burschenschaft denkt nun, wenn ichfrage: hat die deutsche Universität damals jenen Geist verstanden,als sogar die deutschen Fürsten ihn in ihrem Hasse verstanden zuhaben scheiueu? Hat sie kühn und entschieden ihren Arm um ihreedelsten Söhne geschlungen mit dem Worte: mich müßt ihr töten,ehe ihr diese tötet!? Ich höre eure Antwort . . ."

Damals hat der Student geahnt, in welchen Tiefen eine wahreBildungsinstitntion wurzeln muß: uämlich in einer innerlichenErneuerung und Erregung der reinsten sittlichen Kräfte. Und diessoll dem Studcnteu immerdar zu seinem Ruhme nacherzählt werden.Auf den Schlachtfeldern mag er gelernt haben, was er am wenigstenin der Sphäre derakademischen Freiheit" kernen konnte: daß mangroße Führer braucht und daß alle Bildung mit dem Gehorsambeginnt. Und mitten in dein siegreichen Jubel, im Gedanken ansein befreites Baterland hatte er sich das Gelöbnis gegeben, deutsch zu bleiben. Deutsch! Jetzt lernte er den Tacitus verstehen, jetztbegriff er den kategorischen Imperativ Kants , jetzt entzückte ihn dieLcyer- und Schwertweise Carl Maria vou Webers. Die Thoreder Philosophie, der Kunst, ja des Altertums sprangen vor ihmauf und in einer der denkwürdigsten Blutthaten, in der Er-mordung Kotzebnes rächte er, mit tiefem Instinkte und schwärmerischerKurzsichtigkeit, seinen einzigen zu zeitig am Widerstande der stnmpfenWelt verzehrten Schiller, der ihm hätte Führer, Meister, Organi-sator sein können, und den er jetzt mit so herzlichem Jngrimmevermißte".

Denn das war das Verhäiignis jener ahnungsvollen Studenten:sie fanden die Führer nicht, die sie brauchten. Allmählich wurdensie untereinander selbst unsicher, uneins, nuznfrieden; unglücklichellngeschicktheiten verrieten nur zu bald, daß es an dem alles über-schattenden Genius iu ihrer Mitte mangele: und jene mysteriöseBlutthat verriet neben einer erschreckenden Krnst auch eine erschreckendeGefährlichkeit jenes Mangels. Sie waren führerlos und darumgingeu sie zu Grunde".

Diese etwas überschwängliche und auch historisch nicht durchwegunausechtbare Schilderung des großen Wollens und des Mißlingensdringt doch im ganzen hinab in die Tiefe dieser studentischen Be-