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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1800 bis 1830: Sieg der Hegelschen Rechtsphilosophie.

Hegel freilich meinte, einen Teil dieser großen Wirkung und weitenVerbreitung verdanke das Bnch Wohl dem Umstand, daßes allerGedanken sich abzuthun und das Ganze so aus Einem Stück ge-dankenlos'zu halten gewußt habe"; auch seine scheinbare Konsequenzbestehein der völligen Inkonsequenz einer Gedankenlosigkeit, diesich ohne Rückblick fortlaufen läßt und sich in dem Gegenteil dessen,was sie soeben gebilligt, ebensogilt zu Hause findet". Und in derThat, das Buch war geistlos und in seiner Gedankenlosigkeit undInkonsequenz geradezu srech; aber es war ein bequemes Buch fürdie Inhaber der Gewalt nnd die Träger der Reaktion nnd die besteRechtfertigung für alle Gewaltmaßregeln, denen gegenüber es dieVölker so christlich fromm auf Gott verwies.

Die Hegelsche Rechtsphilosophie.

Da kam diesmal wirklich nach dem Dreitakt der dialektischenMethode aus Satz und Gegensatz ein neues Höheres, die HegelscheRechtsphilosophie. Was Hegel an Rousseau und dem Liberalismusund was ihm ebenso an Hallers Theorie so besonders widerwärtigwar, das war die Degradation des Staates zu einem Willkürlich-Künstlichen oder Willkürlich-Gewaltsamen und seine Degradationzu einem bloßen Mittel. Wohl kennt auch er den Not- und Ver-stnudesstaat der bisherigen Staatsrechtslehrer, wobei der Staatin der That nur Mittel, jeder Einzelne sich selbst Zweck und dieAtomistik ganz an ihrem Platze ist. Das ist die bürgerlicheGesellschast, in der die Subsistenz nnd das Wohl des Einzelneumit samt seinem rechtlichen Dasein in die Subsisteuz, das Wohlund Recht aller verflochten und nur in diesem Zusammenhangewirklich und gesichert ist ein System allseitiger Abhängigkeit.Und ebenso ist ihm mit Kant der Staat Rechtsstaat, sofern imRecht der freie Wille sein Dasein hat. Aber ganz anders alsKant macht er Ernst mit der Vernünftigkeit des Willens, mit demBegriff der volontö Asnsrals. Dieser Wille ist nicht bloß in derSphäre des abstrakten oder formalen Rechtes, nicht bloß innerlichin der Moralität des einzelnen Menschen und seinem individuellenGewissen, sondern wirklich ist er nur in der ganzen sittlichen Welt,deren erste Stufe die Familie, deren höchste Stufe der Staat ist.