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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die romantische Staatslehre.

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fasser war damals noch Schweizer und Protestant, später trat erin die Dienste Karls X. in Paris nnd wurde wie Adam Müller Katholik. Schon die Vorrede des Werkes läßt den Romantiker inaller Deutlichkeit erkennen, läßt es aber auch fast unbegreislich er-scheine», wie ein solcher Schriftsteller Wirkung thun und Einflußgewinnen touute: bald pathetisch im hohen Ton des Propheten baldweinerlich-sentimental nnd immer salbungsvoll wie ein Sonntag-nachmittagsprediger für politische alte Jungsern redet dieser Menschvon Staat und Geschichte. Gegenüber dem ans Vertrag ruhendenkünstlich-bürgerlichen Zustand will er auf den Naturzustand zurück-gehen, der ihm alsbald mit Gottes Ordnung zusammenfällt. Dashier geltende Naturgesetz ist einfach genng; es besagt, daß nur derÜberlegene, der Mächtige herrsche uud herrscheu solle. So gründeter Staat nnd Recht aus Stärke uud Macht. Machthaber aber siuddie Könige und Fürsten , und darum ist es gottgesetzte nnd gott-gewollte Naturordnung, daß sie herrschen und ihnen gehorcht werde;sie sind nicht Diener des Staates dieses friederieianische Wortist Haller ein Greuel, soudern unabhängige Herren desselben,der Staat ist ihr Eigentum, wie daS Hausweseu dem Familienvatergehört: Staatsrecht ist vom Privatrecht nicht wesentlich verschieden,das Patriarchalische Regiment ist göttliche Ordnung. Doch wie,wenn diese Herreu ihre Gewalt mißbrauchen? Konstitutionell uudgeschriebene Gesetze, die der Liberalismus als Schutzwehr gegen dieseGefahr aufrichten will, überhaupt menschliche Eiurichtuilgen helfendagegen nichts, sondern im wesentlichen nur Religion lind Moral,die vvm Mißbrauch der Gewalt abhalten. Ganz ausschließe« kauujedoch dieser Mauu des Naturstandes nnd der Gewalt den Gedankender Selbsthilfe, nötigenfalls durch Revolution, natürlich nicht: aberInsurrektionen sind, so meint er und so hilft er sich über dieSchwierigkeit hinweg, der Sache nach nur selten, ihre Ausführungist meist schwierig, oft unmöglich, öfter noch nicht klug, uud sobleibt sür die Unterthauen in solchen Fälleu nur übrig ausGott zu vertrauen.

Wie gesagt machte diese Gewaltstheorie Eindruck und fandBeifall: in dem Kreis des preußischen Kronprinzen, des nachmaligenKönigs Friedrich Wilhelm IV. wurde sie bewundert nnd acceptiert.