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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Die Hegelsche Rechtsphilosophie.

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Hegel doch einen merkwürdigen politischen Instinkt und Takt: dieserpreußische Staat wandelte 1820 auf den Bahnen der Reaktion, imSchlepptan Metternichs, und in seiner unsicheren Haltung dem Ver-sass ungsprobtem gegenüber machte er den Eindruck des Schwachenund Unselbständigen, deS Unfertigen und haltlos Schwankenden;wie leicht konnte sich da dein oberflächlichen Beobachter die innereKraft nnd das innere Recht dieses aus allerlei Bestandstücken ebenerst zusammengefügten Stnatswesens verbergen? und wie vielenblieb das damals wirklich verborgen? Hegel dagegen sah auchuuter dieser reaktionären und unfertigen Gestalt den inneren Kernvoll Starke, Gesundheit und Zukunft, wie er sich in der Erziehungder Beamten und des Heeres und in der stillen Arbeit an derGründung des deutschen Zollvereins langsam aber sicher entwickelthat, und er scheute sich nicht, trotz aller häßlichen Verhüllung aufdieses Innere als ans sein wahres Wesen hinzuweisen.

Aber eine Gefahr lag darin freilich. In der Borrede zu derPhilosophie des Rechtes steht der berühmte und berüchtigte Satz:was vernünftig ist, das ist wirklich, und was wirklich ist, das istvernünftig". Was in Preußen damals wirklich war, das warvielfach ein Reaktionäres, ein Vergängliches nnd Unvernünftiges;und so konnte Hegel als Lobredner des Wirklichen selber mit zumReaktionär werden. Es ist nicht zu verkennen, daß er dieser Ver-suchung nicht ganz entgangen ist: wie das Gewissen der Sittegegenüber in seiner Moral nicht zn seinem vollen Recht kommt,so gefährdete jene Allgewalt des Staates die Freiheit des Einzelnen,so drohtedie Substanz" daS Individuum zu verschlingen: uud dazukam der Historismus , der den Einzelnen zum unselbständigen Gliedeiner Kette macht und ihn in diese rechtlos uud thatenlos hinein-schmiedet: nnd wenn er endlich, gegen den Geist seines Systems,im inneren Staatsrecht die fürstliche vor die regierende und gesetz-gebende Gewalt stellt, so konnte das Hallerisch und byzantinischgemeint sein und gedeutet werden. Aber wer Hegel hente nochals es in den fünsziger Jahren R. Haym that, lag die Sache anders:sein BuchHegel und seine Zeit" war eine Streitschrist uud eineThat wer ihn heute uoch schlechtweg des Konservatismus undQnietismus bezichtigt, als ob er unbesehen alles Wirkliche, nur

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