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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1800 biS I8S0: Sieg der Hegelschen Rechtsphilosophie.

ivcil eS da sei und bestehe, für vernünftig nnd somit der ErhaltungN'ert angesehen habe, der verkennt, daß jenes Wort ein Rad mitzwei Speichen ist: nur das Vernünftige ist ihm wirtlich, an derVerminst mißt sich das Existenzrecht des Bestehenden, sie hatdaher Kritik zu üben und auf die UnWirklichkeit, Nichtigkeit undNichtswürdigkeit alles Unvernünftigen in Staat nnd Geschichtehinzuweisen. Hier liegt die sortschrittliche, um nicht zu sagendie revolutionäre Seite der Hegelschen Philosophie, und man sieht, wieer hier sogar der Lehre vom Naturrecht einen guten Sinn ab-zugewinnen vermag, wenn dasselbe nur nicht ein Zeitloses nnd Unver-änderliches sein soll, sondern als jenes dritte Höhere begriffenwird, auf das in Satz und Gegensatz die Vernunft als auf einKommendes und zu Verwirklichendes jedesmal hinweift.

Schützen aber sollte Hegel gegen einen solchen Vorwurf vorallem noch feine Geschichtsphilosophie, in die die Rechtsphilosophieausmündet, eine großartige Theodicee, welche ans der Einsicht ruht,daß das, was geschehen ist und alle Tage geschieht, nicht nur vonGott kommt, sondern Gottes Werk selber nnd als solches vernünftigist. Da das Wesen des Geistes Freiheit ist, so ist anch die Welt-geschichte nichts anderes als der Fortschritt im Bewußtsein derFreiheit und die Entwickelung des Begriffes der Freiheit. Und nunbegleitet Hegel nicht willkürlich konstruierend, sondern auf Grunddes damalige» historischen Wissens diesen fortschreitenden Werde-gang der Geschichte zur Freiheit von Ost nach West. Im Orientist das Kindheitsalter der Geschichte, die Geistigkeit ist substantiell,die Einzelnen unfrei, nur Eiuer, der Herrscher srei. Das Jünglings-alter, vertreten durch die griechische Welt, ist das Reich der schönenFreiheit, wo das Subjekt natürlich eins ist mit der Substanz. Dasrömische Reich ist die Zeit der sauren Manuesarbeit aus dereineu Seite die abstrakte Allgemeinheit des Imperiums, die denEinzelnen und die Völker unterjocht, und daneben auf der anderendie abstrakte persönliche Freiheit jedes Einzelnen im Recht; aberallmählich wird im Despotismus das Persönliche überwiegend, undso bereitet der Schmerz der Innerlichkeit den Boden für das Auf-gehen einer höheren geistigen Welt nnd einer geistigen Befriedigungdurch das Christentum vor. Die Versöhuuug nnd damit die Reali-