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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 bis 1848: Das junge Deutschland.

geduldet". Vörne gab dieser Angriff freilich nur Gelegenheit zuder schönen Antwort:Wie! wenn wir das deutsche Volk haßten,würden wir mit aller Kraft dafür streiten, es von der schmach-vollsten Erniedrigung, in der es versuuken, es von bleierner Tyrannei,die auf ihm lastet, es von dem Übermute seiner Aristokraten, demHochmut seiner Fürsten, von dem Spotte aller Hofnarren, denVerleumdnngen aller gedungenen Schriftsteller befreien zu helfen,um es deu kleinen, bald vorübergehenden und so ehrenvollen Ge-fahren der Freiheit Preis zu geben? Haßten Nur die Deutschen ,dann schrieben nur, wie Sie, Herr Jarcke. Aber bezahlen ließenwir uns nicht dafür; denn auch noch die sündevolle Rache hat etwas,das eutheiligt werden kauu."

Heine.

Solche antisemitischen Aussalle galten übrigens neben Vorneebenso auch Heiue. Von ihm zu reden ist weit schwerer. Borneist sein Leben lang inzmer er selber gewesen, Treue gegen sich undseine Überzeugungen ist das beste an ihm, schriftstellerisch freilichmacht es ihn einförmig nnd auf die Dauer nicht mehr amüsant.Heiue dagegen ist eine Proteusnatur,ein Chamäleon", er schillertin allerlei Farben, ein Charakterkopf war er nie; und schon darumist er ein Zeichen, dem widersprochen wird und widersprochen werdenmuß. Und dazu kommt heute der widerliche Streit über Denkmaloder Nichtdenkmal, der die Gemüter aufregt, aber das Urteil überihu nicht klärt und nicht fördert. Denn ob Heine ein Denkmalbekommt oder nicht bekommt, ist für seine Wertschätzung uugefährgerade so gleichgültig, wie es für die Beurteilung freigesinnter Menschengleichgültig ist, ob sie einen Orden bekommen oder nicht; die Stadt-verordneten uud Gemeinderäte, die darüber beeinflußt vom Lärmder Presse beraten und entscheiden, entscheiden ja doch nicht überdie Bedentilng und den Wert des Mannes für das Geisteslebenunserer Nation. Also sehen wir selber zu.

Daß Heine nächst Goethe und natürlich in gemessenem Abstandvon ihm der größte Lyriker Deutschlands in unserem Jahrhundertist, deu eiueu Mörike vielleicht ausgenommen, darüber kann docheigentlich kein Streit sein; nicht einmal Carl Busse wird ihm damit