Heine.
181
ganz gerecht, daß er ihn „das gewaltigste Nachahmertalent derWeltlitteratur" nennt, nud ihn mit Treitschke einen „Anempfinder"zu nennen, wäre vollends schief. Lieder, die wie die seinen aus Flügelndes Gesangs sich verbreiten und in den Melodien von Mendelssohn,Schumann und Methssssel in die Herzen des Volkes einziehen,sind echt nnd selbst schon voll Seele uud Melodie. Und dieseLyrik, Heines ganze Poesie wurzelt iu der Romantik; „die Wall-fahrt nach Kevlaar" zeigt das vielleicht am deutlichsten und reinsteuWenn sie bei ihm vielfach die specifische Forin des Weltscyinerzlichenannimmt, so ist das Folge der Zeit nnd Zeichen ihres Nieder-gangs: der Traum eines Ausgleichs zwischen Bedingtem und Un-bedingtem, einer Versöhnung von Poesie und Leben, den dieRomantik geträumt hatte, wollte sich nicht verwirklichen, alle Reaktionist uupoetisch und züchtet Philister. Auch Lord Byron, darin Heines Vorbild und überhaupt maßgebend für die Stimmung der Zeit, istvoll Zerrissenheit nnd Weltschmerz; nnd daß es hier wie dort nichtsowohl der Schmerz einer Welt, als vielmehr der Schmerz um daseigene, zarte und weiche Ich ist, ist ja ebensallS durchaus romautisch.Wie alle Romantiker konnten auch diese Dichter des Weltschmerzesnicht vou sich selber loskommen.
Zur Romantik gehört aber auch die Ironie; doch wenn diesebei den Urhebern und ältesten Vertretern der Schule im Dieustihrer Romantik stand und sich souverän gegeu alles wandte, wasphilisterhaft und uupvetisch war, so kehrte sich bei Heine die Ironiegegen die Romantik, das heißt also gegen sich selber. Jenes „Doktor,sind Sie des Teusels" am Schluß des „Seegespeusres" ist hierfürcharakteristisch, es ist sozusagen das Motto für die ihm in derGeschichte des deutschen Geisteslebens zugefallene Aufgabe uud fürseine Stellung in derselben: er überwindet die Nomantik zuerst insich selber und damit wird er, der Nomantiker, znm großen Anti-romantiker, zum Sieger über sie. Wir können das gewissermaßenexperimentell noch heute au uns selbst nacherleben: jeder vou unshat seine romantische Periode, der Weltschmerz gehört, wenigstensbis vor kurzem, zum Inventar eines jeden normal sich entwickelndenjungen Menschen; in dieser Epoche ist Heine mit seiner Lotosblumeund seinem Fichtenbaum, mit seineu Thränenfluteu und seinein