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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Tendenzen und Schicksale des jungen Deutschland .

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und gestrebt? Welche Bekanntschaften, Ansichten und Lebensver-hältnisse vermögt ihr iu die Region der Poesie mit hinüber zunehmen? Ich gebe zn, und mir blutet das Herz dabei, ja wirleben in einer Zeit, wo der matte Qnell der Poesie kaum über dieersten sechzehn Jahre unseres Lebensalters hinausspringt. Aber gut.Haltet einmal Abrechnung mit der Zeit, entzieht einmal dnrch einenherzhasten Entschluß dieser heutigen deutschen Litteratur den Schimmerpoetischer Lügen, deckt einmal auf, ihr Dichter, was ihr schauet,laßt einmal den Staub wirbeln in der Wüste nud zählt die Gras-halme, die auf grünen Jnselfleckchen wachsen, zeigt uns den Himmel,wie er gran und schmutzig über uns niederhäugt, und fangt dieSonnenstrahlen anf, die sich auf euern Scheitel stehlen, reißt derZeit den Mantel der Heuchelei, der Selbstsucht, der Feigheit vomLeibe und macht mit dem Kusse eures Mundes aller Welt bemerklich,wo nur noch ein echter Faden, der rote Faden der Poesie hinzieht,klopst, hämmert in alles taube Gestein und sucht die Erzadern zuerforschen, wie sparsam, tief und versteckt sie auch fortlaufen. Nocheinmal, haltet Abrechnung mit der Zeit, mit eurem eignen Leben!Das bißchen Poesie, das sich darin verzettelt, das bißchen auszu-weisen, bringt euch Ehre und der Zeit Schande. Jetzt müßt ihreuch schämen. Wendet das Blak. Die Philister nennen euchLügner, Schaumbläser, Puppenspieler, Romanschmierer, und beiGott ! die Philister haben recht."

Der Roman Laubes aber, der diesem Programm zn entsprechensuchte,das junge Europa " mit seinen drei Teilen: die Poeten,die Krieger uud die Bürger giebt wirklich das beste Bild von derganzen Bewegung, gerade weil es ein Roman ist, und macht sodas Wort wahr, daß die Poesie oft wahrer ist als die Geschichteselbst. Zugleich ist er, namentlich in seinein zweiten Teil, dasbeste Beispiel sür die Kunst und das Können dieses nenen Rea-lismus. Derselbe will uns freilich oft recht unrealistisch, phrasen-haft und posierend vorkommen; allein auch das gehört zur Realitätjener Zeit, in der auch im Leben nicht selten die Phrase die Thatnnd die Pose den Ernst des Handelns überwucherte oder ersetzte.

Und das gilt dann natürlich ebenso oder noch mehr auch von denBühnenstücken des jungen Deutschland : es waren Tendenzstücke mit