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1830 bis 1848: Das junge Deutschland.
und darum wirkte sie auch so stark und so elemeutar aus die Jugendihrer Zeit. Während Borne in ihren: Buch nur eine Bestätigungmehr für seine immer enger sich bornierende Goethcfeindschaft sand,sah die Jugend plötzlich Goethe, den gestorbenen, hier im Bildeder Bettina wieder lebendig und in unverwüstlicher Lebenskraftvor sich hingestellt, so daß sie die Verächter schelten ließ und sich ihmanss neue zuwandte. Wieviel an jenem Bnche Wahrheit war nndwieviel Dichtung mit unterlief, darum kümmerte sie sich nicht, das zuentscheiden blieb späterer gelehrter Forschung vorbehalten. Bettina aber,die ein Herz voll Liebe — nicht nur für Goethe hatte uud sich allerMißhandelten uud Verfolgten tapfer annahm, fand sich jetzt mit demvom Bundestag geächteten jungen Deutschland zusammen, nnd einanderer Wortführer desselben, Laube, bezeugt ihr, wie „gar sehr mitFrische in unsere Litteratur diese Bettina-Kühuheit" hercingeweht habe.Durch sie ist allmählich auch echtere Poesie in die Schule gekommen,wenn sie daneben anch nicht aufhörten Tendenzpoeten zn sein. Für dasaber, was diese Jnngdentschen zu sagen hatten, war der Roman dasgeeignetste Gefäß — die Prosasorm entsprach auch am besten ihremKönnen, der geeignetste Ort dagegen war die Bühne. Und so trat dennGutzkow dafür ein, daß der Roman „die Geschichte der jüngstenVergangenheit und der Gegenwart" behandeln dürfe und solle, selbstaber hat er doch erst zwanzig Jahre später im großen Stil dieseForderung verwirklicht. Damals war es vielmehr Laube, der iubewußtem Gegensatz zn den an Walter Scott sich anlehnendenhistorischen Romanen der ablaufenden romantischen Periode denzeitgeschichtlichen Roman geschaffen hat. WaS er damit wollte, hatWienbarg, der der Schnle den Namen gab, als Programm fürdiese jungen Dichter jugendlich keck so sormnliert: „Greift in die Zeit,haltet euch an das Leben. Ich weiß, was ihr entgegnet. Nichtwahr, es ist verdammt wenig Poesie in dieser Zeit, in diesem Leben,das wir in Deutschland führen? Woher der Stoff zu einem zeit-geschichtlichen Roman? Ich frage aber dagegen, woher entnahmGoethe ihn für Wilhelm Meister ? — Versteht mich recht. Umalles in der Welt keinen Wilhelm wieder. Der ist abgethan, derist Goethes nnd seiner Zeit. Was nnd wer ist euer? WelcherIdee könnt ihr Leib und Seele verleihen? Was habt ihr erlebt