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1830 bis 1848: Die religiöse Bewegung.
Natürlich! Das war ja nun die Konsequenz deutscher Philosophieund sich wissenschaftlich nennender Theologie, und so begrüßte er— er! — das Straußische Buch als „eine der erfreulichsten Er-scheinungen auf dem Gebiete der neueren theologischen Litteratur"!So freundlich war die erste Begegnung zwischen den beiden, ausdem paradoxen Gruud, wie Strauß so hübsch sagt, „weil sie eineabsolut feindliche war."
Allein die Gegner hatten die Rechnung doch einigermaßenohne den Wirt gemacht. Wer mit 27 Jahren einen so genialenersten Wnrs that, so scharssinnig und scharssichtig einer achtzehu-huudertjährigen Autorität und Überlieserung zu Leibe giug, dersürchtete sich auch vor modernen Theologen nicht, deren schwacheSeiten und Blößen er ja eben erst gründlich aufgedeckt hatte. DenErweis einer für sein Alter staunenswerten theologischen Gelehr-samkeit hatte er durch sein Buch erbracht. Dazu kam die LessingscheAder, der Geist rücksichtsloser Wahrhaftigkeit und der glänzendeStil des jungen Theologen, der ihn — nur der Neid'Nietzsches hat ihm auch das absprechen wollen — zn einem unserer aller-ersten Schriftsteller gemacht und ihn auch darin Lessing nahe ge-rückt hat. Und so sausten nun in seinen Streitschriften die Hiebeso hageldicht auf die Steudel uud Paulus, die Heugstenberg undEschenmayer, die Menzel und Rosenkranz herab, daß man sichwirklich in die Zeiten Goezes und Antigoezes zurückversetzt glaubenkonnte.
Darüber schieden sich aber auch die Geister. Die HegelscheSchule, der ja seit 1831 das zusammenhaltende Haupt des Meistersfehlte — Strauß war nach Berlin eben zu seiner Beerdigung ge-kommen —, fiel in eine Linke und eine Rechte auseinander, wie dasja bei der Philosophie Hegels durchaus möglich war, je nachdemman das Seiende oder das Vernüustige, das Wirkliche oder dasSeinsollende iu den Vordergrund rückte; und während die Vor-sichtigen zwischen den beiden extremen Richtungen die Mitte zuhalten suchten, wandte sich alles, was jung und keck und kritischwar, der Linken zu. Für sie gründeten in den Halleschen Jahr-büchern Rüge und Echtermeyer das Organ, in welchem es an Geistnur so funkelte uud sprühte. Strauß selber und sein Freund