Die Anfänge Friedrich Wilhelms IV.
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unlcbendiges Stück Papier sah, das zwischen ihn und sein Volklediglich hindernd, Vertrauen störend sich eindränge, und zugleicheine Reminiscenz an die Revolution, die er haßte nicht bloß wiesondern geradezu als die Sünde: er wollte ein väterliches, keinkonstitutionelles Regiment. Aber wenn er nur wenigstens vonAnfang an fest und bestimmt „Nein" gesagt Hütte, daß Freundund Feind gewußt Hütten, wie sie mit ihm daran seien und dieGegner alles Konstitutionellen sich um ihn Hütten scharen und aufihn sich hätten verlassen können! Statt dessen war sein Hanpt-sehler der Mangel an Entschlußfähigkeit, das ewige Zögern undZandern, das haltlose Schwanken und Lavieren, das über Projektenicht znr That Kommen; er war zu ideeureich uud zu geistreich,um konsequent zu sein, ein Mann der Phantasie, der Sympathien undder Antipathien, kein Mann des Willens. Und so zögerte er siebenlange Jahre und reizte dadurch weit mehr als durch entschlossenesVersagen. Als er aber endlich 1847 den vereinigten Landtag dochberief, da war es wieder nichts Ganzes und Bestimmtes — dieperiodische, gesetzlich geregelte Einberufung ließ er sich erst mühsamabringen —, nnd dann war es anch damit schon zu spät.
Dazu kommt, daß er, geistreich und dilettantisch wie er durch-aus war, keinerlei Menschenkenntnis besaß nnd so als Regent auchdarin eine unglückliche Hand hatte, daß er selten den richtigenMann auf den richtigen Platz stellte. Preußen war seit langenJahren gewöhut gewesen, an der Spitze der Kultus- und Unter-richtsverwaltung bedeutende Männer von hoher Bildung und freiem,feinem Geiste wie Wilhelm von Humboldt und Altenstein undihnen zur Seite hervorragende Räte wie Nicolovius, Süveru uudSchulze zu sehen; nun kam als Nachfolger Altensteins im Kultus-ministerium Eichhorn, ein Mann ohne tieferes Verständnis fürBildnngsfragen und ihre Wichtigkeit, ohne volle geistige Klarheitund deshalb hyperorthodoxen und pietistischen Einflüssen und Be-strebungen nnr allzu leicht zugänglich, und neben ihm als RatEilers, der vollendete Dilettant, ein Phantast, kein Geschäftsmann, dernamentlich sür die kirchlich reaktionären Wünsche des Königs alsgesügiges Werkzeug sich brauchen ließ.