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Opposition und Reaktion.
So begreift sich die bald einsetzende und dann rasch wachsendeAusregnug und Unzufriedenheit des Volkes mit dem neuen Kurs, dasSchwankende und Sprunghafte im Wesen des Königs machte auchdeu Lauf des Staatsschiffes zu einem schwankenden Zickzack undnahm dem Volk das Gefühl der Sicherheit uud Stetigkeit. Dasin der Staatsverwaltung nur allzu deutlich sich abspiegelnde Wesendes Königs selbst trieb auch loyale Männer allmählich in dieArme der Opposition.
Einer gemäßigten Opposition zunächst, als deren Vertreter ichnur den ostprenßischen Oberpräsidenten von Schön nennen will,der in seiner Schrift „Woher und Wohin?" die Einführung vonNationalständen als dringend notwendig zu erweiseu suchte. Auchin Bettinas seltsamem Buch vom Jahre 1843 „Dies Bnch gehörtdem König" machte sich über alle romantische Verehrung und allespersönliche Vertrauen doch der von ihren Beziehungen zum juugeuDeutschland stammende freiheitliche nnd oppositionelle Geist wie imReligiösen fo auch im Politischen energisch spürbar und zeigte diewunderbare Fähigkeit dieser Frau, auch das Modernste und ihrscheinbar Fernliegendste feinfühlig zu verstehen uud mutig undwarmherzig zu vertreten. Viel schärfer, aber anch durchaus gemäßigtund loyal klang, wie der Schönsche Mahnruf ebenfalls von Ost-preußen herüber, die Autwort Johanu Jaevbys ans seine „vier Fragen",worin der freigesinnte Mann für das mündig gewordene Volk Teil-nahme der Bürger am Staat und demgemäß eine wirkliche Vertretungund Öffentlichkeit ihrer Verhandlungen forderte. Daß er deshalb alsHochverräter angeklagt wurde, war eine der vielen Ungeschicklich-keiten der Regierung, znmal da der Prozeß schließlich doch mit derFreisprechung endigte. Der König aber wußte den vier Fragenleider nichts zu entnehmen, als daß er Hinsort allen — getauftenund uugctaufteu — Juden thörichten Haß entgegenbrachte nnd sichdadurch anch auf dem Punkte der Judenemauzipation zu dem liberalenProgramm in Gegensatz stellte. In ihm war somit der Antisemitis-mus Sache persönlichen Grolls, wenn anch natürlich specifischchristlich - romantisch gesärbt.