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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1830 biS 1848: Friedrich Wilhelm IV ,

jener Jahre geben uns zwei Rmmine vielleicht das anschaulichsteBild. Der eineWandlungen" von Fanny Lewald , noch vor derNevolutiou erschienen, zeigt, wie von Paris aus diese Ideen bisnach Ostpreußen kamen und dort die bäuerliche Bevölkerung gegenihre Gutsherru in Bewegung setzten. Der andere, erst 1850 ansLicht getretene Roman von GutzlowDie Mtter vom Geist"schildert, wie der hochgeborene Fürst Egon von Hvhenberg erst inder Blouse des Tischlers und erfüllt von den Ideen des arbeitendenVolkes in Paris mit dem Socialisten Louis Armand Freundschastund Brüderschaft schließt, dann aber als Ministerpräsident undStaatsretter" dieselben nicht durchführen, kaum festhalten kannund nach zwei Jahren als müder Kämpfer, aus tausend Wundenblutend zu diesen Idealen zurückkehrt.

Während aber in diesen beiden Romanen das Socialistischeausdrücklich als fremde Importware bezeichnet wird und uns dieWandlungen" deshalb schließlich wieder aus sranzösischen Bodenzurückversetzen griff Freiligrath damit unmittelbar ins deutscheLebeu hinein und entnahm demselben Stoffe zu socialistisch wilderund trotziger Klage und Anklage. So vor allem in jenem mäch-tigen Gedicht von dem Proletarier-Maschinisten auf dem Dampf-schiff, das den König von Preußcu dcu Rhein hinunterführt.

Mit halbem Leibe taucht er auf aus seinem lodernden Versteck;In seiner Fallthnr steht er da nnd überschaut sich das Verdeck.

Das glüh'nde Eisen in der Hand, Änlich nnd Arme rot erhitzt

Mit der gewölbten haar'gcn Brust auf das Geländer breit gestützt

So läßt er schweifen seinen Blick, so murrt er leis dem Fürsten zu:

Wie mahnt dies Boot mich an den Staat! Licht auf den Höhen wandelst du!

Tief unten aber, in der Nacht und in der Arbeit dnnklem Schoß,Tief unteu von der Not gesperrt, da schür' und schmied' ich mir mein Los!Nicht meines nur, auch deines, Herr! Wer hält die Räder dir im Takt,Wenn nicht mit schwielenharler Faust der Heizer seine Eisen packt?

Du bist viel weniger ein Zens, als ich, o König, ein Titan!Beherrsch' ich nicht, aus dem du gehst, den allzeit kochenden Bnlkan?Es liegt an mir: Ein Ruck von mir, ein Schlag von mir zu dieser Frist,Und siehe, das Gebände stürzt, von welchem du die Spitze bist!

Der Boden bricht, aufschlägt die Glut und sprengt dich krachend in die Luft!Wir aber steigen feuerfest aufwärts anS Licht aus unsrer Gruft!Wir sind die Kraft! Wir hämmern jung das alte morsche Ding, den Staat,Die wir von Gottes Zorne sind bis jetzt das Proletariat!