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entgegengetreten war. Und noch entschiedener kehrte er sich in seinerschon erwähnten Schrift über den heiligen Rock zu Trier gegen dieultramontanen Tendenzen nnd stellte sich damit ebenfalls auf denliberalen Boden. Aber wie bei Dahlniann war es ein gemäßigter„0vn demokratischer Begeisterung und kosmopolitischer Spekulationtc>tu eoelv entfernter" Liberalismus, der dazu uoch eine speeisischnationale und preußische Färbung trug. Prinzipiell aber erklärteer wie Tahlmann nnd damit durchaus im Gegensatz zu der„Objektivität" seines Lehrers Ranke: „Die Strebungen der Gegen-wart sollen sich orientieren und geistig begründen durch deu Hinblickauf die zurückgelegten Stufen; der Historiker seinerseits kann nurin einem lebendigen Rapport mit dem heutigen Tage die sittlicheWärme gewinnen, aus welcher der Vergangenheit ein neues künst-lerisches Dasein erblühen soll." Auch daß beide über Politik lasen,beweist, wie sehr es ihnen nach Sybels Worten darum zu thunwar, „jedes Studium mit der Teilnahme an den öffentlichen An-gelegenheiten zn durchdringen und in jedem Fache den Wert des-selben für die gegenwärtigen Nationalinteressen im Auge zu be-halten". Und auch darin unterschied sich Sybel von Ranke, daßer ganz realistisch lind nominalistisch „die Ideen nicht außerhalbdes Meuscheu als dämonische Kräfte sah, die ihn wider seinenWillen fortstoßen, sondern in aller Geschichte die Menschen sah,die sich das Gedankenbild erschnsfen, danach handeln und dafüreinzustehen haben".
Im Südeu aber vertrat Gervinus , ursprünglich ein SchülerSchlossers nnd ebenfalls einer von den Göttinger Sieben, ähnlicheTendenzen, wenn er in seiner „Geschichte der poetischen National-Litteratur der Deutschen" den Zusammenhang derselben mit dempolitischen Leben und der ganzen nationalen Entwickelung unseresVolkes auszuweisen suchte und damit zugleich das Volk vou derästhetisch-litterarischen weg zur Politischen Arena herüberrusen wollte.Nur zeigt ihn seine Anteilnahme an der dentschkatholischen Be-wegung weit radikaler, als dies bei allem Gegensatz gegen denUltramontanismus Sybel gewesen ist; und seine spätere gegenPreußen uud die Ereignisse von 1866 und 1870 sich kehrendeVerbitterung ließ doch erhebliche Zweifel zu au der Klarheit und