Der Kampf um die Einheit und nm die Freiheit.
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geistige Leben unseres Volkes eine solche Bedeutung. Daß es imFrühling auch Blüten giebt, die abfallen ohne zu Früchten aus-zureifen, das lehrt uns die Natur; und daß sich der junge Most garungebärdig zeigt und als Sauser den Leuten zu Kopf steigt undsie für eine Weile „toll" und ausgelassen werden läßt, wissen wirebenfalls. Sollte es im Leben der Menschheit anders sein? undsollten wir eine Zeit darum schelten, weil nicht alle ihre Früchtereifen? und die Menschen einer solchen stürmischen Werdezeitscheltcit, weil sie sich gelegentlich recht jugendlich „toll" und un-gebärdig augestellt haben? Füufzig Jahre sind im Leben einesVolkes eine kurze Spanne Zeit: das Große, das in ihnen geschehenist, enthält die beste Rechtfertigung auch dafür, daß in jenemJahr nicht alles geschehen und erfüllt uud fertig geworden ist, wasman sich im ersten kühnen Anlanf versprach und was man allesauf einmal haben wollte.
Im übrigen schreibe ich nicht die Geschichte dieses Jahres unddarf mich daher über diese politische Sturm- und Drangperiodedes deutschen Volkes kurz fassen. In solchen revolutionären Zeitenkonzentriert sich das geistige Leben auf ein paar einfache Gedankenund Forderungen; diese werden mit elementarer Gewalt ausgesprochenund in allerlei Thaten umgesetzt, davou erzählt daun die politischeGeschichtschreibnng.
Der Kamps nm die Einheit und um die Freiheit.
Vor dem Stnrm, der von Paris herüber über die deutschenLande brauste, beugten sich zunächst in den kleinen deutschen StaateuFürsten und Regierungen: an die Stelle der reaktionären tratendie liberalen Märzminister. Was sie von dem Alten beseitigtenund an seine Stelle setzten, die Märzerrungenschaften zeigeu, umwas gestritten nnd was vom Volk gewünscht und gefordert wurde.Am kläglichsten nnd rühmlosesten aber bengte sich vor diesem Stnrmder Deutsche Bnndestag in Frankfurt . An seine Stelle trat dasDeutsche Parlament, das zn schaffen suchte, was er Jahrzente langversänmt und verhindert hatte, eine Form für das Ganze, wie sieden nationalen Wünschen des gesamten Volkes entsprach, und dasallgemein zu regelu unternahm, was in den einzelnen Ländern
Ziegler, die geistigen u, socialen Strömungen des lg. Jahrh. 18