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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Osterreich. Preußen. Frankfurter Parlament.

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Parteien Hand in Hand gehen und ihre Ziele miteinander gefördertwerden könnten. Namentlich in den kleineren Einzelstaaten wurdendie freiheitlichenMärzerrnngenschasten", wie sie von beiden Parteienbegehrt worden waren, auch gemeinsam durchgesetzt; an die Spitzeder Regierungen traten die seitherigen Führer der liberalen Oppo-sition, meist natürlich gemäßigte und im parlamentarischen Kampfwohlgeschulte uud erprobte Mänuer. Es giug dabei oft rechtstürmisch nnd anarchisch zu, aber daneben doch auch wieder rechtharmlos, um nicht zu sageu: gemütlich und humoristisch. Daß inBaden die Bauern die Republik und den Großherzog dazu habe»wollten, ist eine oft wiederholte Anekdote. Den Mut, den Treitschkefür die vierziger Jahre zur Abwechslung auch einmal an denDeutschen vermißt, Spektakel und Tumult zu machen, hatte manjetzt allüberall zur Genüge; meine früheste Lebenserinnerung ist dasKlirren der von einem Volkshaufen eingeworfenen Fensterscheiben andem Hause, das mein Vater, ein konservativer Geistlicher, bewohnte.

Österreich. Prenßen. Frankfurter Parlament.

Viel schwieriger war die Situation der beiden großen deutschenStaaten, die noch keine Verfassung und keine parlamentarische Volks-vertretung hatten. So ist zuerst in Österreich das MetternichscheSystem zusammengebrochen, scheinbar nnter dem Ansturm derWiener Studeuten, die ja iu Österreich gelegentlich auch heute nochbei Straßentumultcu eiue führende Rolle spielen; in Wirklichkeitfreilich erlag es nicht sowohl einer Revolution von unten als viel-mehr den Intriguen, die in den obersten Kreisen schon längere Zeitvorbereitet nun den Anlaß benützten nnd die Tumultuanten vor-schoben. Haltbar wäre es freilich auch ohne das nicht mehr ge-wesen, denn eS war doch hohler und brüchiger, als es sich denAnschein gegebeu hatte; die Revolntion fand hier nach den Zeug-nissen der eigenen Gehilfen Metternichs einen Negierungsapparatvor, aus dem die Energie längst entflohen war". Immerhin istMetternich selbst, so innerlich würdelos er regiert hat, damalsdoch nicht ohne Währung des ünßeren Anstandes und mit einergewissen Würde gefallen.

In Berlin aber ist es erst zu allerlei tumultuarischeu Auf-