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aber hatte Vaterlandsliebe fast zum Verbrechen gestempelt. Darumklaug der Jubel doppelt laut am Feste dieses vaterläudischeu Dichters.Und Schiller war Idealist. Diesen Idealismus voll Sittlichkeitund schöner Menschlichkeit hatte der Materialismus im Bunde mitder ganzen dumpfen stumpfen Stimmung der fünfziger Jahre zuersticken gedroht, Idealist sein galt den einen für lächerlich, denandern von 1843 her für gefährlich. Das Schillerfest war imGegensatz dazu ein Bekenntnis des dentscheu Volkes zum Idealismusund damit zu allem Besten uud Höchsten, was in ihm lebte undzu Luft uud Licht empordrängte. Dieser Schillersche Idealismuswar aber in seinem tiefsten Kern als sittlicher durch lind dnrchgesund, war männlich stark: die Herkunft vom kategorischen ImperativKants hatte ihu gestählt, „das Gebiet der Mäuucrkämpfe im öffent-licheu Lebeil" war diesem Dichter des Wallenstein und des WilhelmTell uicht verschlossen, und so lag im Bekenntnis des Volkes zuihm der Appell an den Willen des deutschen Volkes, etwas wiemännlicher Entschlnß und wie der Ansang zu kräftiger That. Unddarum steht die Schillerseier im November 1859 uicht umsonst amAnsang zu dem Zeitalter Bismarcks, das eine Zeit des Willensund der That werden sollte. Über eine Spanne von sechzig Jahrenhinweg reichte der große Idealist dem noch größeren Realisten dieHand zu gutem Buude.
Der italienische Krieg uud der deutsche Nationalvereiu.
Noch vor dieser Festfeier aber bewegte ein ernsthaftes politischesThema die Gemüter, ein Krieg, der Deutschland weit näher berührteund ailging, als sünf Jahre zuvor das Aufeiuanderschlagcn der Völkerweit hinten in der Türkei — der Kampf Napoleons III. gegenÖsterreich zur Befreiung Italiens von der Fremdherrschaft uud diebeginnende Einigung dieses womöglich noch kläglicher als Deutsch-land zerrisseilen Landes und Volkes. Eiu Glied des deutschemBundes war augegriffeu, was war uatürlicher, was nationaler, alsdaß ganz Deutsch land ihm beisprang zur Erhaltuug seiner altenMachtstclliilig iu Oberitalien ? so dachteil oder richtiger: so empfandendamals besonders die Süddeutschem, während im Nordeil die Mei-nungen geteilt nnd die Gemüter kühler waren. Hier waren es vor
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