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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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1848 bis 1871: Die Begründung des deutschen Reiches

Krone mid Parlament, ob Preußen ein konstitutioneller Staatnach dem Mnster Englands sein oder ob hier das Königtum nochetwas bedeuten nnd wie es den preußischen Staat im siebzehntenund achtzehnten Jahrhundert geschaffen, so ihn auch im ueuu-zehnteu uoch selbständig regieren solle als eine Macht über denParteien. Hier rächte sich noch einmal die Art, wie FriedrichWilhelm IV. in den fünfziger Jahren die Herrschaft geführt hatte:da war ein Parteiregiment in Prenßen obenauf gewesen, nnd dasKönigtum hatte für diese Partei der Reaktion selber Partei ge-nommen, war ein Teil von ihr gewordeu:

Unser König absolut,

Wenn er uns den Willen thut.

Was Wunder, wenn nun auch die Liberalen ans Ruder kommen nnddas Königtum für ihr Parteiinteresse haben, es diesem dienstbarmachen nnd unterordnen wollten. Darin lag Wilhelms Bedeutungvon Anfang an, daß er dies nicht wollte, sondern der prenßischeuMonarchie ihre eigenartige Stellung jenseits aller Parteien anwies undihr die unter seinem Vorgänger verloren gegangene Selbständigkeitund Eigenmacht wieder zurückzugewinnen suchte. In diesem Sinntrat ihm auch Bismarck von Anfang an zur Seite und nahm denKampf auf, in dem es sich somit wirklich um große Politische Gegeusätze und Prinzipiensragen handelte. Rankes Formel, Wilhelmhabeeinen vollkommenen Begriff davon gehabt, daß die militärischeMacht die Sonveränetät in sich schließe", ist dafür, wie man sieht,doch bei weitem nicht zureichend.

So wurde denn auch von Ansang an, wie in einem rechtemPrinzipieudrama, von den beiden einander gegenüberstehenden Kämpenmit voller Leidenschaftlichkeit und vollem Pathos gestritten. DerÖlzweig, deu Bismarck anfangs mehrere Male der liberalen Oppo-sition entgegenstreckte, konnte nicht ergriffen werden, hier gab esnur Kampf, Niederlage oder Sieg. Und immer heftiger erklangdas Waffengetöse. Die Opposition wurde immer geschlossener, auchdie anfänglich Gemäßigteren gebärdeten sich mit der Zeit so radikalwie alle anderen; und auf der anderen Seite klang es auch vomMinistertisch fehr oft maßlos schroff, und bald gingen BismarcksÄußernngen, daß die großen Fragen der Zeit nicht durch Majoritäts-