DaS Unsehlbarkeitsdogma,
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sollte: und wirklich war die katholische Welr in Jndifferentismusund Unterwürfigkeit durch die Arbeit eines halben Jahrhundertsso zurecht gearbeitet, daß das Dogma ohne besonderes Ärgernisdurchgeführt werden konnte. Ein deutscher Professor in Würzbnrgbrach sogar in die freilich den Thatsachen wenig entsprechenden, über-schwänglichen Worte ans: „Es jubelt die ganze christliche Welt obder Ehre ihrer Königin und Mutter. Bis zu den WäldernAmerikas dringt durch die Wildnis, bis in die Kerker des fernstenAsiens durch die Folterbänke und eisernen Thore hindurch dieheilige Freude lind verklärt das Angesicht des Wilden wie desEuropäers, des Mongolen wie des Schwarzen; und nur die Häresieknirscht vor verbissener Wut, den Triumph der Jungfrau uichthindern zu können." Das katholische Volk verstand die Lehre fastdurchweg falsch, und die „Häretiker" zuckten über diesen scheinbarharmlosen Anachronismus gleichgiltig die Achseln.
Im Jahre darauf gelang es dann der Kirche, mit Osterreich jenes Konkordat zu schließen, das der Kurie wesentliche Teile derStaatshoheit auslieferte, Österreich aber aufs neue der deutschenBildung entfremdete und mit schuld war an der Katastrophevon 1866. Dagegen scheiterte wie bereits srüher erwähnt derKonkordatsabschluß in Württemberg und Baden. Hier war es zu-gleich der Abschluß eines heftigen Streites mit dem erzbischöslichenStuhl in Freiburg , in dem sich die Regierung unglaublich un-geschickt und schwach gezeigt und den Sieg fast schon aus der Haudgegeben hatte.
Die sechziger Jahre brachten im Zusammenhang mit demitalienischen, dem deutsch -österreichischen und dem dentsch-sranzösischenKriege dem Papst den Verlnft der weltlichen Herrschast. AlsNapoleon III. die Truppen, mit denen er diese Jahre lang auf-recht erhalten hatte, im Auguft 1870 aus Rom hatte zurückziehenmüssen, benutzten die Italiener die ihnen durch die deutschen Siegegebotene Gelegenheit und ließen am 20. September ihre Soldatendurch die Porta Pia einziehe!,. Das war das Ende des Papst-königtums in Italien . Doch mitten in diesen verlustreichen Kämpfenum seine änßere Machtstellung hatte Pius IX. mir um so protzigerseine geistige Macht betont und sie auch thatsächlich zu befestigen