Das Unsehlbarkeitsdogma,
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an ihrer Überzeugung festhalten uud damit die Einheit der Kirchegefährden nnd auflösen wollten. Doch dazn mnd keiner von ihnenden Mut und die Kraft. Die meisten unterwarfen sich sosort, nnterihnen auch Ketteler von Mainz, ihr Hirtenbrief aus Fulda , derdie Fortsetzung des Widerspruchs als „ein mit den Grundsätzen derkatholischen Kirche unvereinbares Beginnen" bezeichnete, ist ein rechtunerfreulich sich windendes Aktenstück. Am längsten zögerte derRottenbnrger Hefele, uoch im November 1870 bezeichnete er dasnene Dvgma als „einer wahrhaftigen, biblischen nnd traditionellenBegründung entbehrend und die Kirche in unberechenbarer Weisebeschädigend"; aber im April 1871 hat auch er, vou der württem-bergischeu Regierung im Stich gelassen, ebenfalls nachgegeben unddas Dogma in seiner Diöcese verkündigt. Man mnß ihn wie ichkurz vor dem Konzil und unmittelbar nach seiner Unterwerfunggesehen haben, nm die Seelenkämpfe zu ahnen und zu ermessen,die ihn in kurzer Zeit ans einem kräftigen Mann zn einem ge-brochenen Greis gemacht haben. Der Bischof hat nicht nnr, nachHase's Wort, den Gelehrten, sondern auch den Menschen in ihmerwürgt. In die maszlosen Vorwürfe über solche Schwäche kannich aber auch vom sittlichen Standpunkt aus nicht einstimmen. Eswar eiu Konflikt der Pflichten, dessen Lösung doch wesentlich durchdie Individualität bedingt ist; der Starke wird in solchem Fallseiner Überzeugung solgeil und die Fahne deS Aufruhrs erheben;wer sich aber diese Stärke nicht zutraut, wem vor den möglichenFolgen graut, dem fehlt dazu nicht nnr der Mnt, sondern anchdas moralische Recht; und Hefele war kein kühner Neuerer uudIrorains äaetion, sondern ein feiner Gelehrter, der theoretisch kühn,in der Praxis scheu uud ängstlich die Verantwortung für Abfallnnd Schisma nicht ans sich zu uehmeu wagte. Von Luthers ebenso temperamentvollem als gottvertrauendem Wagemut hatte erkein Füttkcheu iu sich: wer null ihn darob schelten? Anch hiergilt: oxsrari Lsauitur esse; auch er konnte nicht anders.
Daß die Mehrzahl des Volkes, nnd nicht nur die urteilsloseMasse, sondern auch die Gebildete«, Laien wie Priester, ihren Bischöfenfvlgten, bewies, wie gut die jesuitisch-nltramontane Partei seit denTagen der Romantik gearbeitet hatte. Wir haben gesehen, das; die