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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: Der Kulturkampf,

Kirche auch eine Zeit wie die des Jahres 1848 für ihre Zwecke zubenutzen wußte. Wir können hier nachtragen, daß sie trotz ihrerVerbindung mit der Reaktion und den reaktionären Prinzipien derLegitimität und Autorität auch die demokratischen Allüren, die siesich damals aneignete, sortan sestgehalten hat. Namentlich dieVereinsbildung wnrde jetzt energisch in die Hand genommen; zurBelebung des katholischen Sinnes", zur Mehrung religiöser Frei-heit entstand im April 1848 der Pinsverein; Vincenz- und Boui-satiusvereiu solgtcn, den schon vorher bestehenden Gesellenvereinenwnrde erneute Ansmerksamkeit zugewandt. Damit aber diesen Ver^einen das einigende Band nicht fehle, wurde ebeufalls 1848 zumerstenmal und hinfort alljährlich anf einer großen allgemeinenSeptemberversammlung Heerschau über sie gehalten, und schließlichalle diese Bestrebungen in dem nachgerade 180000 Mitglieder zäh-lenden katholischen Volksverein zusammengefaßt. Dabei war wich-tiger als der jedesmalige Zweck eines solchen Vereins oder als dieReden nnd Beschlüsse dieser Versammlungen die Erziehung undDisziplinierung der Massen, womit sich nötigen Falls ihre Faua-tisiernng unschwer verbinden ließ. Aus diese Vereine, dienachund nach alle Teile des Volkslebens umspannen" und dieses demjesuitischen Geiste unterwerfen sollten, konnte man unbedingt zählen,wie später bei den Neichstagswahlen, so damals im Jahre 1870, alses sich um das jesuitische Dogma von der päpstlichen Unfehlbarkeithandelte. Die Saat ging anf, die Kirche bestand die Probe aufihre Geschlossenheit und ihr festes Machtgefüge im ganzen vortrefflich.

Der Altkatholizismus.

Aber ohne Widerstand ging es doch nicht ab. In dem Kreiseder katholischen Gelehrten war man durch die Mißhandlung seitensder Jesuiten uud durch deu mit dem Index und der Censur ge-triebenen Mißbrauch ohnedies sehr schwer gereizt. Die Verurteilungdes Österreichers Günther hatte, ähnlich wie einst die von Hermes,bei seinen zahlreichen Anhängern böses Blut gemacht; nnd daßDöllinger sich allerlei Verdächtigungen und Vergewaltigungen ge-sallen lassen und seine Opposition immer wieder gut machen und ent-schuldigen mußte, kränkte ihn und seine Freunde schwer. So regte sich