Der Kampf.
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selbst aufs würdigste zurück. Aber aus kultnrkämpferischer Seiteließcu taktlose Reden von eiuem protestantischen oder evangelischenKaisertum vergessen, daß der moderne Staat absolut konfessionslosist und jeden nach seiner Fa?on selig werden lassen muß, daß alsodie Konsession deS Oberhaupts den Staat selbst uicht berühren darf.Dazu kamen ernstliche Bedenken, ob nicht der Staat jenen Fricderi-eianischen Grundsatz mit den neuen Gesetzen direkt verletze nndwirklich doch in das innere kirchliche und religiöse Leben desKatholizismus eingreise nnd dessen Selbständigkeit verletze; wennja, so wurde durch solche Mißgriffe die katholische Kirche mm ihrer-seits zur Verteidigerin der Gewissensfreiheit, und so konnte mandenn auch das zu allem brauchbare Wort, daß „man Gott mehrgehorchen müsse als den Menschen", auf katholischer Seite iu allenTonarten variieren hören.
Damit verband sich aber mm die Hauptsrage, ob es ans demeingeschlagenen Wege möglich sei, die Macht der Kirche zu brechen.Denn darüber konnte man sich doch keinen Illusionen hingeben, eswar eine Machtsrage, das Vatikanum hatte die im mittelalterlichenKatholizismus lebendige Idee der Wcltbeherrschnng anss neue alsLeitmotiv der Kirche mit aller Deutlichkeit erklingen lassen und gezeigt,daß diese nach wie vor in ihr lebe. Und hier konnte man bald er-kennen, daß die alte Wahrheit, nichts helfe einer Bewegung so sehrals das Martyrium, auch der kümpfenden katholischen Kirche inDeutschland zu gute kam. Es handelte sich freilich nicht annäherndnm Verfolgungen uud Strafen, wie sie einst im Mittelalter dieKirche dnrch den Arm des Staates so erbarmungslos über dieKetzer verhängt hatte; jenes Wort des Bischofs Martin von Pader-born von einer wahrhaft „divkletianischen Verfolgung" war einelächerliche Übertreibung uud eine durch die Albigenserkriege unddie Scheiterhaufett eines Hus oder Giordano Bruno längst über-holte Reminiscenz. Aber unsere Zeit ist für das Leiden empfäng-licher nnd empfindlicher, ist seinsühligcr und — materieller, nndso genügten die Anklagen uud Verurteiluugen, die Absetzungen undGefängnisstrafen vou Bischöfen, die Temporaliensperre gegenrenitente Geistliche, die Bestrafung der politisierenden Kapläue wegenVergehen gegen das Preßgesetz, um doch das Gesühl wirklicher