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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nnch 1871: Der Kulturkampf,

Portieren, war ein häßlicher Zug konfessioneller Gehässigkeit undtrug zur gegenseitigen Verbitterung nicht wenig bei. Ein Zeichender wachsenden Berschärsuug des Gegensatzes war auch die am5. Oktober 1886 auf Anregung Beyschlags erfolgte Stiftung desEvangelischeu Bundes zur Wahrung der deutsch -ProtestautischenInteressen und zur Abwehr der seit Beendigung des Kulturkampfeszunehmenden Aumaßnng der römischen Kirche und ihrer Vertreterin Deutschland . In diesem Sinn war die Gründung durchausberechtigt, ebenso wie früher die des Gustav-Adols-Vereins, derBund trat damit gewissermaßen an die Stelle des Protestanten-vereins uud nahm sich der Abwehr und Sammlung vielfach miterfreulicher Energie an. Allein auf der anderen Seite ist nicht zuverkeimen, daß er auch deu Streit vermehrt, die Gegensätze weiterhinzugespitzt und ost auch seinerseits recht kleinlich und gehässig geredetnnd gehandelt hat. Es giebt nun auch protestantische Hetzkaplänennd sie sind um keiueu Deut besser als die katholische«. Uud wennProzesse, wie der gegen deu elsässischeu Psarrer Müller, der wegeuseiner Kritik des Uusehlbarkeitsdogmas verurteilt wurde, im Gegen-satz zu der fast privilegierten Straflosigkeit aller VerunglimpfungenLuthers , in protestantischen Kreisen mit Recht peinlich empfundenwerden, so erscheinen uns dagegen die Thümmelschen Retigions-prozesse in den Rheinlanden oder der Streithandel des LothringischenPfarrers Gerbert als Zeichen zunehmender Streitsucht auch iu den.Kreisen des evangelischen Bundes. Freilich euthüllte gerade in diesemLothringischen Prozeß die Rede eines kaum ganz zurechnungsfähigenAdvokaten der Gegenpartei nach eiuem bekannten Sprüchwort auchdem Bliudesten die maßlosen Ansprüche nnd die erschreckende Un-duldsamkeit des heutigen Katholizismus. Dagegen war es dem ganzenprotestantischen Volke aus der Seele gesprochen, als sich gegen dieSchmähungen Luthers und die Verunglimpfungen der Reforma-tion als einesunheilvollen Giftes" in der päpstlichen Canisius-cncyklika vom 1. August 1897 Kircheubehördeu uud Syuoden inverschiedenen Ländern Deutschlands zu lautem Protest aufrafften;man sah darin zugleich auch einen Protest gegen die wachsendeSchlappheit deutscher Negierungen und gegen das Kokettierenprotestantischer Fürsten mit katholischen Würdenträgern, deren Ge-