Die protestantische Abwehr.
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der Reformation weder die Vertreter der Wissenschaft und Bildung,noch die Helden des nationalen Gedankens allein, sondern im Bundemit beiden das religiöse Gewissen Luthers die deutsche Nation vonden römischen Fesseln befreite, so kann anch hente unser Bolk dasrömische Joch erst dann abschütteln, wenn es zugleich mit demdeutscheu Recht uud der deutschen Wissenschaft die religiösen Beachtedes unverfälschten Christentums gegen den Koloß der römischenPapstkirche ins Feld sührt." Überhaupt aber tritt seit 1872 iuden Erklärungen des Vereins allmählich eine Frvutveränderungein. „Ist es notwendig, daß zu dem Kampfe gegen den llltramon-tanismus eine neue Zerklüftung der evangelischen Kirche hinzu-komme?" fragt der Aufruf dieses Jahres; und 1882 wird nochdeutlicher gesagt: „der Feind vor den Mauern ist nicht die einzigeGefahr, vor welcher wir Protestanten uns zu wehren haben. Erwäre uus viel weniger gefährlich, wenn nicht unter uns selbst offennnd versteckt Parteibestrebnngen, welche dem Geist der Reformationwiderstreiten, die Alleinherrschaft in unserer Kirche zu erzwingentrachteten". In diesen inneren Kämpfen ging hinfort die Kraft desVereins aus nnd erlahmte darum wie die des Staates im Wider-stand nach außeu.
Am II. November 1883 hat das protestantische Deutschland den 400jährigen Geburtstag Luthers gefeiert. Luther ist Deutsch-lands größter Sohn. Daß ein Drittel der Deutschen aus kon-fessioneller Befangenheit das verkennt und darum jenem Feste sichversagte, ist für diesen Teil selbst am meisten zn beklagen, erbringt sich damit um ein gutes Stück Freude am eigenen Volkstumnnd macht sich geistig arm. Auf der auderu Seite erhielt dadurchaber auch die Festfreude der Feiernden eine oppositionelle Spitze,die ja freilich der historischen Bedeutung des streitbaren Refor-mators entsprach. Iu deu Rheinlanden kam es durch die wenigtaktvolle Polemik eines Festredners und durch den Zelotismus der daroventsetzten Pastoreil sogar zu eiucm Skandal und Konflikt innerhalbdes Protestantismus selbst. Daß aber die katholische Presse es sichiticht versagen konnte, das Andenken des großen Mannes bei dieserGelegenheit und von da an überhaupt immer aufs neue zu schmähenund z. B. das thörichte Gerede vou Luthers Selbstmord zu kol-