Druckschrift 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
442
Einzelbild herunterladen
 
  

442

Nach 1871: Der Kulturkampf,

auf. Schon 1869 wies eine Versammlung iu Worins die iu einemapostolischen Schreiben" des Papstes an die Protestanten gerichteteZumutung, inden einigen Schafstall Christi" zurückzukehren, abund bezeichnete die in der Encyklika und dem Syllabus aus-gesprochenen Grundsätze alsstaatsverderblich und kulturwidrig".1871 nach erklärter Unfehlbarkeit sprach es der Ausschuß desVereins als seiue Überzeugung aus,daß jener Wahn der Un-fehlbarkeit eines Meuscheu mit beschräukteu Kräften und von be-schränktem Wissen, wenn demselben praktische Wirknng verstattetwird, die Existenz und die Autorität des Staates bedrohe, daß erdie Geltung der Gesetze und den Gehorsam gegen die versasfuugs-gemäßen Anordnungen der Obrigkeit in Frage stelle, daß er denkonfessionellen Frieden, die Grundbedingung der deutscheu Einheitbreche und jede Verständigung der verschiedeueu Kircheu unmöglichmache, daß er die Wirksamkeit der Schule lahme und die Erziehungder Jugend verderbe, daß er jede freie Forschung aushebe, die Liebezur Wahrheit ertöte uud daher die deutsche Gewisseuhastigkeit undWahrhaftigkeit zerstöre". 1872 erließ der Ausschuß einen Aufruf,ivoriu er aus die Staatsgesährlichkeit der Jesuiteu hinwies und andas Wort des Papstes Clemens XIV. erinnerte, daß der Friedeauch iu der Kirchegar nicht möglich sei, solange die GesellschaftJesu bestehe"; viel zn optimistisch klaug dieses Schreiben freilich inden Worten aus:Es wird hoffentlich der letzte Kampf sein widerdie künstliche Erneuerung des Mittelalters. Die Zeichen der Zeitsind uns günstig. Der deutsche Kaiser uud das deutsche Reichwerdeu auch diesen Kampf siegreich durchführen. Wenn der Jesuiten-orden wieder begraben sein wird, dann wird die Luft reiuer uud dasLicht Heller werden in der Welt." Dagegen lautete es schou 1874wie Klage uud fast wie eine Warnung, wenn es in dem neuen Aufrufhieß:Dem deutschen Staat im Kampf mit den römischen Übergriffenmit ganzer Krast zn helfen, ist eine kirchliche Chrenpflicht, die unserBerein freudig übt uud mit tiefer Betrübnis vou vieleu berufenenTrägern des protestautischeu Kircheutums in Deutschland veruach-lässigt sieht. Aber mit deu Arbeiten der Gesetzgebung allein istdie Macht Roms in Deutschland ebensowenig zn brechen, als mitder verstandesmäßigen Aufkläruug des Volkes. Wie iu deu Zeiten