Die Protestantische Abwehr.
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dagegen protestiert oder noch lieber durch Hosprediger und hoheDamen dagegen intriguiert.
Dagegen war der beste Bnndesgenosse des Staates in diesemKamps der liberale Protestantismus . Ein Vorspiel dazu bildete in denfünfziger Jahren das erste Bändchen von Bunsens „Zeichen der Zeit".Dieser hatte, wie wir gesehen haben, in England doch nicht verlernt,„was Toleranz nnd Religionsfreiheit und was daheim Protestantismus und Protestantische Kirche und Union heißt"; und so wallte ihmdoch voll Zorn sein Blut, als er den Hirtenbrief des BischofsKetteler in Mainz zur Bonifatiusfeier im Juni 1855 und darindie Anklage las, das deutsche Volk habe durch die Reformatiouseinen Beruf für das Reich Gottes verscherzt, wie das jüdischeseinen Beruf als Volk Gottes, da es den Messias kreuzigte, eShabe durch sie das Gewissen verloren. Zu solcher unerhörten Rede,die „eher eines rohen JunkcrS und eines übermütigen Priesterswürdig schien als eines so hochgebildeten deutschen Mannes uudeines christlichen Bischofs", mochte er uicht schweigen: „Die Ehreunseres Volkes ist eiu Heiligtum, um welches zu kämpfen, soweites die Wahrheit zuläßt, eine heilige Pflicht erscheint". Aber aucher stieß bei dieser Abwehr schon aus protestantische Verbündete desunduldsamen Bischofs, auf den Historiker Leo in Halle nnd —Nur wissen es bereits — ans den Führer der Konservativen inPreußen , ans Stahl. Daß aber diese bischöflichen Jnvektiven undAnsprüche nicht bloß Worte wareu, das zeigte ihm gerade damalsder badische Kirchcnstreit und das österreichische Konkordat im großenund der „sich wie aus dem Abgrnnd erhebende Dämon hierarchischerVerfolgung" in einer Reihe von Einzelfällen.
Bunsen war auch uur eiu Einzelner. Das Aufsehen uud der Bei-fall aber, den sein mannhaftes Auftreten in weiten Kreisen fand, be-wies, daß er nicht allein stand; es war wie ein erstes Augenaufschlagendes gesunden Menschenverstandes nnd des deutschen Gewissens. DasErwachen selber folgte in den sechziger Jahren. Die liberalenProtestanten schlössen sich zum deutschen Protestantenvercin zusammenund nahmen nun anch ihrerseits den Kampf gegen katholische An-maßungen von außen und gegen hierarchische Gelüste nnd zelotischeUnduldsamkeit in der eigenen protestantischen Kirche mit aller Energie