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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 187 l: Der Kulturkampf,

es im wesentlichen erreicht, seit 1875 besteht neben den einzelnenProvinzialsynoden auch eine Gesamtvertretung durch die General-synode; uud ähnlich ist es auch iu den andern deutschen Ländern.Allein was sich der Protestantenverein davon versprochen hat, eineallgemeine Beteiligung der Laieu an kirchlichen Angelegenheiten undeine Zurückdrängung orthodoxer uud konfessionalistischer Unduldsamkeitim Kirchenregiment, ist nicht in Erfüllung gegangen. Fast überall, vorallem in Preußen nnd Württemberg sind, namentlich zn Anfang, dieSynoden in die Hände der rechtsstehenden Parteien gefallen undhabenjede freie Richtung der Geistlichen wie der Gemeindenrechtlos zu machen und zu ersticken unternommen"; nnd so mußteihnen nnd dein mit ihnen Verbündeten Kirchenregiment gegenüberder Protcstantenverein um seiue Existenz nnd um die Anerkennung,berechtigtes und gleichberechtigtes Element der protestantischen Kirchezu sein kämpfen. Diese Auerkennung durchsetzen ist ihm abergerade in den Hauptländern des deutschen Protestantismus nichtgelungen, so uahe man dem auch in der Falkschen Ära schon ge-wesen war. Nur Baden und Weimar machen auch hier wiedereine rühmliche Ausnahme.

Damit sind wir schon bei dem weiteren Zweck des Protestanten?Vereins angekommen, der gerne von ihm so formuliert wurde:der deutsche Protestantenverein arbeitet an der großen und schwerenAufgabe einer Erneuerung der Kirche im Geist evangelischer Frei-heit und im Einklänge mit der gesamten Kulturentwickeluug unsererZeit". Gerade diese moderne Kulturentwickelung verwarfen aberdie strenggläubigen Kreise. Eben deshalb betrachteten sie den Pro-testantenverein nnd seine Mitglieder alsungläubig" und sagtenihnen die kirchliche Gemeinschaft mehr oder weniger direkt auf.So erhielt einmal ein dein Protestantenverein augehöriger BerlinerGeistlicher von einem feiner Kollegen einen Brief, der mit denWorten begann:Ener Hochwürden teile ich hierdurch mit, daßwir grundsätzlich so viel als möglich alle kirchliche Gemeinschaftmit denen meiden, welche die Grnndlehren unserer Kirche, die Gott-heit Christi, die heilige Dreieinigkeit, die Versöhnung durch dasBlut Christi leugnen". Uud im Eifer dieses Kampfes gegeilden Unglauben, den Nationalismus und den Protestantenverein"