484
jene Lassalleschen Einschiebsel ausgemerzt: vom ehernen Lohngesetz,das zur Agitation in all der Zeit so gute Dienste gethan hatte,ist nicht mehr die Rede, ebensowenig von seinen Produktivgenossen-schaften mit Staatshilfe; jenes hatte schon ein Jahr zuvor aus demParteitag zu Halle Liebknecht als nnerweislich, ja geradezu alsfalsch bezeichnet; freilich trat an seine Stelle die Lehre von derReservearmee der Ungelernten und Arbeitslosen, welche praktischdieselben Dienste thut. Die Hauptsache au dieser Änderung aberwar: der Marxismus war inzwischen vollständig durchgedruugeu, diedeutsche Socialdemokratie hatte sich mit ihm identificiert. Daraus ergiebtsich vvr allem ihr internationaler Charakter, der immer wieder feierlichverkündigt und auf den internationalen Arbeiterkongresscn auch bisauf einen gewissen Grad bethätigt wird, wogegen das Symboldieser Verbrüderung uud Solidarität der Arbeiteriuteressen, derWeltfeiertag des 1. Mai, einstweilen noch mehr angestrebt alsdurchgeführt wird.
Frei von der eisernen Umklammerung durch das Socialisten-gesetz zeigte die Bewegung aber bald anch Tendenzen einer innerenUmwandlung oder wie man es fast technisch nennt, der „Mauserung".Eine gewisse Unklarheit und Zwiespältigkeit ergab sich hinsichtlichder Ziele. Das socialistische Programm ist kurz gesagt negativ dieBeseitigung des Privateigentums, positiv die Schaffung von staat-lichem oder gesellschaftlichem Eigentum, soweit das Produzierte nichtkonsumiert wird, sondern die Mittel zn neuer Produktion abgebensoll. Sobald man aber sragt, was diese geforderte Umwandlungdes Privateigentums in gesellschaftliches Eigentum der Produktions-mittel leisten und bringen würde, beginnt das Utopische des Socia-lismus. Freund und Feind lockt eS immer wieder das auszumalenund Znknnstsbilder von der so umgestalteten Gesellschaft zn ent-werfen — ich nenne hier nnr Schüffle und Eugen Richter , Hertzkauud vvr allem Bellamy mit seinem so großes Aufsehen machenden„Rückblick ans dem Jahre 2000 auf 1887"; aber auch Bebel inseinem Buch „Die Frau und der Socialismus", das als die populäreGesamtdarstellung des Socialismus gelten kann, hat lins solcheBlicke in die Zuknnft nnd ans die nene Gesellschaft thun lassen.Auch das eriunert au die Ansänge des Christentums mit seiner