Die Aufhebung des Socialistengesetzes.
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gethan hatte. In welchem Umfang das erstere vor allem wiederdem einen Bismarck gelangen ist, beweist die Reihe der socialpolitischen Gesetze in den achtziger Jahren, ich nenne nur die dreigrößten über kranken- nnd Unfallversicherung und das Juvatiditäts-und Altersversicherungsgesetz. Nnr die freisinnige Partei versagtein starrem Festhalten an der liberaiistischen Auffassung vou Wesenund Ausgabe des Staates dieser großartigen Resormarbcit fast durch-weg ihre Zustimmung. Und gewiß hat das „Klebegesetz" im einzelnenanch große Mängel. Darnm hat aber Schmoller doch recht, wenn erden in ihm gipfelnden Sieg des Versicherungswesens aus allendenkbaren Gebieten sür „einen der größten socialen Fortschritteunsers Jahrhnnderts" erklärt nnd Bismarck als den Moses seiert,der „mit seinem Stäbe aus den harten dürren Stein schlug unddas lebendige Wasser der socialen Versicherung hervorquellenmachte". Um so ärmlicher nimmt es sich dagegen ans, wie Mehringin seiner „Geschichte der deutschen Socialdemokratie" über dieses„plumpe Verlegenheitsmanöver" Bismarcks und die „Bettelresormen"der achtziger Jahre höhnt und geifert. So bliud darf nicht einmalder Haß machen, nicht einmal er so absichtlich ungerecht Weiß inSchwarz verwaudelu. Dagegen scheiterte allerdings das Zweite, derVersuch die Arbeiter durch diese Reformgesetze zu versöhnen uudihnen den Glauben an den Staat wieder zurückzugeben, durchaus;und daran war doch vor allem das Socialistengesetz schuld.
Die Aushebung des Socialistengesetzes.
Wenn aber die socialen Reformen gerade auf die Arbeiterkreisedie Wirkung versagten, so war es doch ein Glück nnd ein Segen,daß das Socialistengesetz, als es 1890 abließ nicht wieder erneuertwurde. Es war wie eine grvße Lnstreinigung, es war wie einAusatmen vvn schwerem Bann — aus alle Gefahr hiu. DerSocialismus ist eiue Weltanschauung, ist Wissenschaft und Glaubezugleich; deshalb ist er nur mit Waffen deS Geistes zu überwinden,oder er ist überhaupt nicht zu überwinden.
Die nächste Folge der Aushebung des Gesetzes war bei denSocialdemokraten die Abänderung des Gothaer Programms: an
seine Stelle trat die Erfurter Fafsuug vou 1891. Hier wurden
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