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Nach 1871: ZvcialiSnins und Socialdemokratie.
an die Frage herangetreten, nnter dem Einfluß von Rodbertusund Adolf Wagner vertrat znerst ein Pastor Todt staatssocialistischeAnschauungen auf christlich-biblischer Grundlage. Dann nahm sichder Hofprediger Stvcker mit Energie der Sache an, zunächst in derAbsicht, Berlin , das von der Fortschrittspartei an die Social-demokratie verloren gegangen war, durch Begründung einer christlich-socialen Arbeiterpartei wiederzugewinnen. Dabei knüpfte er ausdrücklichan die innere Mission an, die als Berliner Stadtmissiou durch ihn ihrspecifisch sociales Gepräge erhielt. Die christlich-sociale Arbeiter-partei, die er 1878 ins Leben ries, sollte konservativ und christlichsein, sie „steht auf dem Boden des christlichen Glaubens und derLiebe zu Köuig uud Baterland" und verwirft deshalb die Social-demokratie „als unpraktisch, unchristlich uud uupatriotisch". Tabeibetonte sie jedoch sehr stark die Notwendigkeit der StaatShilse fürArbeiterorganisation und eineS ausreichenden Arbeiterschutzes, undin seinen Reden ging Stvcker noch weiter als in seinem Programm.An diese Gründung knüpften sich anfangs die überschwäuglichstenHoffnungen. Ein württembergischer Pfarrer verstieg sich sogar zudem schwungvollen Verse:
Der eine deutschkonservativ
Wie Hahnenschrei er wach uns rief,
Der andre christlich-social
Weckt uns wie Morgcnsonncnstrahl,
Die zwei, einträchtig im Verein
Sie können Deutschlands Retter sein.
Allein der Jubel war verfrüht. Indem Stöcker diese socialenBestrebungen mit seinen antisemitischen Hetzereien verquickte und sichselbst, znerst im kirchlichen Jntriguenspiel, dann in seinem politischenAuftreten schwere Blvszen gab und es weder mit der christlichen Liebenoch mit der sittlichen Pflicht der Wahrhaftigkeit erilst und genan nahm,konnte die Bewegung keiueu rechten Fortgang gewinnen, namentlichscheiterte ihr Versuch, Berlin zurückzuerobern, völlig. Damit verlorsie rasch die Gnnst von oben, die nur durch Massenerfolge zu be-haupten gewesen wäre; nnd diese eben blieben aus.
Kaum minder bedeutsam war daher die viel geräuschlosere undnnscheinbarere Begründung des evangelisch-socialen Kongresses,