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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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^vcialdcnwkratic und Kirche.

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Pflege der Caritas und streng konfessionelle Organisation oonArbeiterin Gesellen und dergleichen ohnedies eifrigen Anteil. Mitdieser strammen Bereiusorgauisation, wie sie die katholische Kirche schon seit 1848 trieb, hängt es zusammen, daß die katholischen Arbeitcr-massen im großen nnd ganzen der Socialdemokratie fern gebliebe»sind. Dagegen hat das Eingreisen des Papstes in die Frage ehergeschadet als genützt. Seine Encyklika ksruiu oova.ru.oi vom15. Mai 1891 über die sociale Frage bewies nur, daß der ItalienerLeo XIII. von der Sache nichts verstand, nnd man kann dem Eng-länder Blatchford nur beistimmen, wenn er darüber sagt:Als derPapst seine Encyklika schrieb, ist er anscheinend in rechter Perlegenheitgewesen. Er hätte offenbar gern den Armen geholfen; aber eswiderstrebte ihm sichtlich ebensosehr, den Reicheu vor den Kopf zustoßen. Er geht von der Bestimmungder gegenseitigen Rechtevon -Arbeit und Kapital" aus und ist deshalb von Anfang an zurErfolglosigkeit verurteilt. Er hat uns nichts Nenes und nichtsWahres zu sagen. Er vertraut uoch auf das alte, längst wurm-stichig gewordene Mittel, deu Reichen Güte und den Armen Geduldzu predigen. Seine Methode ist nun uennzehnhundert Jahre langohne Erfolg versucht worden . . . Der Papst ist wohlmeinend, aberfurchtsam und versteht das Thema nicht. Deshalb ist seine Encyklikaeine tragikomische Mischung von Inkonsequenzen und Irrtümern . . .Der Papst scheint mehr Wert darauf gelegt zu haben, den Socia-lismus anzugreifen als die Armen zu verteidigen. Seine Andeutungenüber die Anpassung der Ansprüche von Kapital und Arbeit sindabgedroschen und eindrnckslos. Das, waS er verficht, ist dasSystem der individualistischen Konkurrenz, durch Religion abge-schwächt. Dieses System haben wir seit vielen Jahrhundertengehabt, seine Resultate sind unbefriedigend gewesen." Bedeutsamist diese Kundgebung nur dadurch, daß sie offenbar auf den social-politischen Eifer der Katholiken einen Dämpfer zn setzen sich bemühtund erklärt, warum die katholische Kirche doch immer der Social-demokratie mehr oder weniger feindlich gegenüberstehen wird. DenEhrentitel einessocialen Papstes" hat sich Leo damit jedenfallsnicht verdient.

Anders liegt die Sache im Protestantismus. Er ist später