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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
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Nach 1871: cls sik-els'

stolz zu sein: das macht uns, wie Bismarck gesagt hat, so leichtkeiner nach. Und wenn nun dieser Geist des Willens und derKraft durch die Einrichtung des Reserveoffiziers auch in die bürger-lichen Kreise dringt, so ist das und die damit verbundene Be-förderung der körperlichen Leistungsfähigkeit und Strammheit iuweiten Kreisen uur zn begrüßen; und ebenso ist die stärkere Be-tonung der feinen äußerlichen Formen nnd der anständigen Führungund Haltung bei uns formlosen Deutschen ein wirklicher Gewinn uudfür viele zugleich auch innerlich Schutz und Halt. Aber auch da machtsich doch die Kehrseite sehr energisch geltend und spürbar. DerOssiziersstand gilt als der erste, Reserveoffizier zu sein schätzendaher viele Beamte oder Lehrer höher als ihren eigentlichen Beruf,den sie so nur immer weiter Herabdrücken. Und überdies werdendadurch auch solche Anschauungen und Sitten des Osfiziersstandesin die bürgerlichen Verhältnisse hereingetragen nnd für diese zumMnster genommen, die nicht dafür passen. So vor allem jene Schneidigkeit", die ans dem Exerzierplatz ihr Recht haben mag,obwohl auch da das Schreien und Anschreien, das Schnarren unddas Schimpfen keinen erfreulichen Eindruck macht und gewiß nichtnotwendig mit dazu gehört; denn Schreien macht brutal sowohl die,die schreien, als auch die, die angeschrieen uud schließlich dagegeuabgestumpft werden. Im bürgerlichen Leben aber ist sie sicherlichnicht das Rechte, sie schädigt die Schnle und entfremdet dem Be-amten das Herz des Volkes. Namentlich im Süden unseres Vater-landes hat sie für viele etwas Anstößiges und Abstoßendes, sieträgt mir dazu bei die Kluft zwischen Offizier und Bürgerstandwieder zn erweitern und läßt so in Bayern oder Schwaben sogardie alte partiknlaristische Abneigung gegen diesesschneidige" preu-ßische Wesen, deu Preußenhaß" wieder aufleben. Und wenn dazuvollends Soldatenmiszhandlungcn und Ausschreitungen von Offizierengegen Bürgerliche kommen wie bei dem unseligen Brüsemitz inKarlsruhe , so wächst die Verstimmung, und Bebel findet mit seineilalljährlich beim Kriegsetat sich wiederholenden Diatriben gegen denMilitarismus im stillen weit mehr Zustimmung als man gewöhnlichglanbt und ahnt. Jedenfalls aber würde jener Geist der Schueidig-keit beim Beamten Imehr imponieren, wenn er nicht meist einseitig