Print 
Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Place and Date of Creation
Page
541
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 
  

Deutsche Machtstellung uud deutsches Mnchtbewußtsciu. 541

dieser Kriegsstoffansammltiilg ruht, macht die Armee unserer Tagezu eiuer erdrückenden Last, welche die Völker mehr nnd mehr nurmit Mühe tragen können. Es ist deshalb klar, daß, wenn dieseLage sich noch weiter so hinzieht, sie in verhängnisvoller Weise zueben der Katastrophe fuhren würde, welche mau zu vermeidenwünscht und deren Schreckeu jeden Menschen schon beim bloßenGedanken schaudern machen." Man darf in dem allein ohne Zweiselden Einfluß Tolstois auf den Zaren sehen, und kann sich schließlichdoch freuen, daß von einem Kaiserthrou herab auch einmal die derKnltnr schädliche Seite des Militarismus anerkannt und der Machteines idealeu Gedankeus rückhaltlos gehuldigt worden ist. Ein Prak-tisches Resultat braucht mau sich darum zunächst doch von diesem Bor-gehen Rußlands nicht zn versprechen, auch ist nicht zu verkeimen,daß das Bild einseitig schwarz in schwarz gemalt ist. Aber der Ge-danke des Weltfriedens hat dadurch au Stärke gewonnen, die Be-mühungen der Friedensfreunde werden sich verdoppeln; und füruns Deutsche liegt als einziehbarer Gewinn die Enttäuschung derFranzosen über Rußlands Neigung zur Beteiligung am Nevanche-krieg gegen Deutschland auf der Hand.

Wäre dem Friedens- und Abrüstnngsgedanken ein thatsächlicherErfolg beschieden, so würde er mit dem nenerwachten Machtbewnßtseinin Deutschland nnch noch auf einem anderen Punkte in Konflikt kommen.Unser Landheer soll unsere errungene Weltstellung den Nachbarn gegen-über behaupten uud unsere festgestellten Grenzen schützen. Allein diesemErhaltungswillen zur Seite geht neuestens ein energisches Strebennach Expansion, nach Erweiterung und Ausbreitung des deutschen Gebiets. 1866 war Österreich von Deutschland losgelöst nnd mitihm mehr als zehn Millionen Deutscher von uns getrennt worden.Man hatte sich darüber getröstet, und als vollends seit 1879 dasDeutsche Reich mit Österreich -Uugaru eug verbündet war, konnteman den Schnitt und Riß als vernarbt ansehen. Allein je un-günstiger die Situation dieser Deutschen in Österreich freilichnicht ohne ihre eigene Schuld sich gestaltete uud je frecheruamcutlich die Czechen sich ihnen gegenüber ausspielten, desto mehrrichteten sich die Gedanken aufs neue diesen deutschen Schmerzens-kindern in Österreich zu, und der starken deutsch -nationalen Partei