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Nach 1871: „5in cts sit-ets".
jenseits der schwarzgelben Grenzpfähle kamen ans Deutschland ostrecht weitgehende Sympathien entgegen. Man rechnet in gewissenKreisen mit dem baldigen Zusammenbruch der HabsbnrgschenMvnarchie und hofft auf eine nahe Vereinigung der Deutschenin Österreich mit dem neugeeinigten Reich. Dabei versteigt mansich sogar bis zu der Forderung eines Eingreifens in die dortigenVerhältnisse, nach dem Nietzscheschen Rezept: was fallen will, dassoll man anch noch stoßen. Daß das alles nur um deu Preiseines großen europäischen Krieges zu haben wäre, kommt dabei ent-weder nicht znm Bewußtsein oder nicht in Betracht; und ebenso-wenig wird die Frage aufgeworfen, ob die Erwerbung dieser deutsch -österreichischen Provinzen wirklich ein Gewinn für uus und wünschens-wert wäre. Einstweilen haben wir mit Posen und Elsaß-Lothringennoch vollauf zn thuu. Vor allem aber, um solche Pläne auszuführen,braucht man nicht nur äußere Machtmittel, sondern auch genialeStaatsmänner, die leisten müßten, was Bismarck nicht für erreich-bar und nicht für wünschenswert gehalten hat. Haben wir diese?So ist dafür gesorgt, daß auch hier die Bäume uicht zum Himmelwachsen.
In diesem Znsammenhang ist auch des Alldeutschen Ver-bandes zu gedenken, der sich 1886 gebildet, aber erst seit 1894 einenentschiedenen Anfschwnng genommen hat und heute etwa 16000 Mit-glieder zählt. Als seine Aufgaben bezeichnet er die Belebung desvaterländischen Bewußtseins, nationale Erziehung, Unterstützungnationaler Bestrebungen im In- und Ausland und die Forderungeiner kräftigen deutschen Jnteressenpolitik in Europa und über See.Hier verknüpfen sich jene pangermanistischen Tendenzen, dasSchwärmen für „Großdentschland" mit der weit praktischeren underfolgreicheren Bewegung zu gnnsten deutscher Kolonien. England verdankt seine Weltstellnng seinen Kolonien nnd seiner Flotte:Deutschland kam, so schien es, wie der Dichter, als die Welt längstschon weggegeben war, zu spät. Nur in Afrika war zunächst nochetwas zu holen: und siehe da, der Bremer Kaufmann Lüderitz griffzu und legte zu der ersten deutschen Kolonie in Südwestafrika denGrund; Kamerun und Ostafrika folgten, und so ist der deutscheKolonialbesitz iu wenigen Jahren stattlich herangewachsen. Ursprünglich