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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
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Nach 1871: ,?in äs siöols."

und zu werden; und ich glaube an die Macht des Willens undder Bildung, mich dem Unendlichen wieder zu nähern, mich ausden Fesseln der Mißbildung zu erlösen und mich von den Schrankendes Geschlechts unabhängig zn machen. 3. Ich glaube an Be-geisterung und Tugend, an die Würde der Kunst und den Reizder Wissenschaft, an Freundschaft der Mänuer und Liebe zumVaterland, an vergangene Größe und künstige Veredelung".

Das Bedeutsamste an diesen Frauen aber war, daß sie wirklichnach der Männer Bilduug und Kunst sich gelüsten ließen, mitihnen die tiefsten philosophischen nnd ästhetischen Fragen besprachen,au ihren Arbeiten beratenden und thätigen Anteil nahmen undselbst vielfach auch als Schriftstellerinnen sich vor die Öffentlichkeitwagten. Darüber hat Rahels Bruder Lndwig Robert einmal dielaunigen Verse gemacht:

Soll ein Weib wohl Bücher schreiben?

Oder soll sie's lassen bleiben?

Schreiben soll sie, wenn sie kann,

Oder wenn es wünscht ihr Mann,

Und befiehlt er's gar ihr an,

Ist es eheliche Pflicht;

Aber schreiben soll sie nicht,

Wenn es ihr an Stoff gebricht,

Oder an gehör'ger Zeit,

Oder gar an Fähigkeit.

Schreiben soll sie früh und spät,

Wenn es für die Armut geht,

Wenn sie sonst was Schlechtes thät';

Aber schreiben soll sie nie,

Wenn dnrch ihre Phantasie

Leidet die Ökonomie.

Und nun sag ich noch zum Schluß:

Lebt in ihr der Genius,

Wird sie schreiben, weil sie muß.

Wirksamer als die Rahel aber hat keine diesem Typus der geist-reichen Frau Geltung und Anerkennung verschafft: ihre Briefe undihr Salon machten dafür Propaganda.

Allein einstweilen war das alles doch nur Episode. DieRomantik, welche in Schlegels Lucinde so frech und in Schleier-machers Vertrauten Briefen über dieses Buch so überfein fürFrauenemanzipation eingetreten und sie fast nach dem Rezept: