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Die geistigen und socialen Strömungen des neunzehnten Jahrhunderts / von Theobald Ziegler
Entstehung
Seite
566
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Nach 1871: .I'in äs sik-els°.

nun Gntzkvw, wie Prölß richtig sagt,zur Forderung einer soeialenReform": eiu solches Festhalten an der ersten Liebe führe zu jenenschonim Brautstand verkümmerten Ehen, jenen Wassersuppen-hochzeiten und der ganzen Misere ordinärer Kindererzcngnng nndschimmlichter Broderwerbnng". Und umgekehrt verlangen dieMänner, daß siedie Liebe immer aus erster Haud bekommen, unddaß ihre Wahl erst da Augen für die Mänuer gehabt haben soll,als er welche für sie hatte"; deshalb darf auch das Mädchensowenig wie möglich Biographie haben", ehe sie sich verheiratet.Dabei verkümmere viel frisches Empfinden und der Charakter derLiebe werde schon im Keime verdorben. Dem gegenüber ruft erzu einer Reform auf mit den freilich stark mißverständlichen Worten:Schämet euch der Leidenschaft nicht und nehmt das Sittliche uichtwie eine Institution des Staats! Bor allen Dingen aber denktüber die Methodik der Liebe nach und heiliget euren Willen dadurch,daß ihr ihn frei macht zur freien Wahl! Der einzige Priester,der die Herzen traue, sei ein entzückender Augenblick, nicht die Kirchemit ihrer Ceremouie und ihren gescheitelten Dienern. Die Sittlich-keit im Verkehr der Geschlechter, wenn ihn die Liebe heiligt, hängtam schlechtesten mit der Gewohnheit zusammen, welche auch immerdas Gewöhnliche ist." Und seineWally" konnte den schlimmsteilMißverständnissen nur ueueu Vorschub leisten. Hier berührte sichin bedenklich naher Weise der Kampf des jungen Deutschland umdie Emauzipatiou der Frauen mit der Emanzipation des Fleisches:es konnte scheinen, als handle es sich bei jener nur um diese. Undbedenklich war auch die durch Heine vermittelte Abhängigkeit vomSt. Simouismus oder vielmehr von den Cynismen Enfautins, derunter der Rehabilitation des Fleisches in der That die freie Liebe nndWeiber- und Männergemeinschaft verstand. Gerade hier aber habenFranen wie Bettina nnd vor allem wieder Nabel ermäßigend undreinigend auf die Bewegung eingewirkt, sie wollten nicht Brnch,sondernorganische Fortentwickelnng des in Sitte und Brauchgegebeueu" uud verlangten nicht sowohl Emanzipation deS Fleisches,sondern der Fran, für sie wie für den Mann das Recht der Selbst-bestimmung und freien Bethätigung auf allen Gebieten des geistigenLebens. Daß aber daneben jene andere sinnliche Seite doch nicht