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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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28
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28 1800-1810.

liner Abendblätter" heraus. März 1811 muß er sie eingehen lassen.Persönliche Bedrängnis, Verzweiflung über Deutschtands Zukunft,das unglücklich verlockende Wort einer Freundin ziehen ihn vonder Welt herab; er, der imPrinzen von Hamburg" so ergreifendgeschildert hat, wie fest der kühnste Mensch am Leben hängt, ergab sich am 21. November 1811 gemeinschaftlich mit jener Freundin,Henriette Vogel , den Tod.

Dumpfes Suchen aus der Unklarheit zum Licht spricht ausdiesem Leben; und sein Ziel hat er nicht deshalb nicht erreicht, weildie Energie zum Durchkämpfen ihm gefehlt hätte, sondern weil immervon neuem die böse Verworrenheit aufstieg aus dem Grunde seinerSeele und aus den Wirren um ihn her. Aber jedes seiner Werkeist ein Triumph über diesen Feind, ist ein Sieg der Klarheit überdie Verworrenheit. Und überall ist der Weg derselbe: rücksichtslostapferes Beharren, das sich den Weg bahnt dnrch die dichten Nebel,sei es zum erwünschten Ziel, sei es zum befreienden Tode.

Mit kühler Sachlichkeit hat Goethe über ihn geurteilt:Dergegenwärtige Dichter Kleist geht ans die Verwirrung des Gefühlsaus". Man hat das' Wort gern wiederholt; ich wage zu be-haupten, daß es nur zeigt, wie wenig Goethe Kleist verstand,verstehen konnte. Überall geht Kleist von einer Verwirrung desGefühls aus überall ist das Problem, aus ihr heraus dieKlarheit zu finden. Verwirrung in der Seele Alkmenens, dieohne ihre Schuld dem geliebten Gatten untreu geworden zu seinfürchtet; Verwirrung in der Seele derMarquise von O.", diein einer Novelle von kühnster Paradoxie in dem Manne, derdie Ohnmächtige vergewaltigte, den Verbrecher und den Vaterihres Kindes hassend uud liebend zugleich sucht. Verwirrung imHerzen Michael Kohlhaasens, des rechtlichen, ernsten Mannes, derplötzlich das Fundament seiner Sittlichkeit, den Glauben an die Ge-rechtigkeit der Gewaltigen, einstürzen sieht, und in den Besuchernvon Meister Adams Gerichtsstube, die aus dem Nichter immer deut-licher den Schuldigen sich herausschälen sehen. Aber die großenGestalten stehen über der Verwirrung. Unbeirrt durch die Grau-samkeiten ihres Geliebten, keinen Augenblick irre au seiner Liebe,geht Käthchen durch Wasser und Feuer; fest und gerade schreitenHermann und der Große Kurfürst ihren Weg.

Diesem Gang von der Verwirrung zur Klarheit entspricht dieTechnik seiner Dramen. Aus einer unsicheren Stimmung, die den