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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Jüngere Romantik.

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sein Glaube an die Visionen seiner Phantasie hervor; wie Tassoruft er:sie sind ewig, denn sie sind!"

Noch höher hebt sich der Größte unter ihnen: Heinrich v.Kleist (17771811). Heinrich v. Kleist entstammt einer altenmärkischen Adelsfamilie, von der das Volkssprichwort rühmt:alle Kleists ehrlich". In Frankfurt an der Oder , der ver-fallenden alten Universitätsstadt, (18. Oktober 1777) geboren, trater, wie es sich für sein Geschlecht fast von selbst verstand, früh(1792) in das preußische Heer. Aber alles widerstand ihm dort,am meisten die rohe Bildnngslosigkeit der zu trockenem Gamaschen-dienst herabgesnnkenen Kameraden. Gewaltig gährt es iu demzukünftigen Poeten, der von seinem Beruf noch keine Ahnunghatte. Er studiert, lernt mancherlei, ohne doch die Unsicherheitder Grundlage je ganz Überbanen zu können; grammatische Fehlerverirren sich bis in seine reifsten Werke hinein. Dann kommtein Tag, den er den wichtigsten seines Lebens nennt: auf einerabenteuernden Reise (die er wahrscheinlich zur Heilung von hypo-chondrischen Vorstellungen unternahm), in Würzburg entdeckt er,wie Brahm es erläutert, seinen Beruf zum Schriftsteller: seinNatursiuu erschließt sich, und indem er ihm Ausdruck giebt, be-greift er, daß er schreiben kann. Es folgen mancherlei Fahrten,einem unbestimmten Ziel entgegen. Er lebt, wie er dichtet: auseiner unklaren dumpfen Stimmung sucht er durch die Hingabe andiese Stimmung selbst zur Klarheit zu dringen. Er hat späterin dem höchst charakteristischen Aufsatz:Über die allmähliche Ver-fertigung der Gedanken beim Reden" auseinandergesetzt, was seinVerfahren sei: die dunkle Vorstellung sich zunächst dnnkel aus-drücken zu lassen, bis sie, gefördert von dem Druck der unter-brechenden Mitredner, gleichsam aus sich selbst heraus zum Aus-sprechen gelangt. Das ist die Technik seiner Werke wie seinesLebens. So zieht er zweimal nach Paris , 1801 und 1804,und wird beinahe als Spion erschossen; er lebt mit Zschokke (1801)in der Schweiz, er geht nach Weimar , wo der alte Wieland ihnherzlich ausnimmt und als der erste seine Eigenart erkennt. Späterhält er sich mit Adam Müller in Dresden auf und giebt eine er-folglose Zeitschrift heraus, denPhöbus". 1809 will er am KriegeÖsterreichs teilnehmen; er wird zurückgewiesen und sieht Frankreich siegen, ohne nur den Säbel ziehen zu dürfen. Verzweifelt kehrt ernach Berlin zurück und giebt, wieder mit Adam Müller, dieBer -