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Die deutsche Litteratur neunzehnten Jahrhunderts / Richard Moritz Meyer
Entstehung
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Joseph v, Eichendorsf.

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schließt diese süße Wehmut auch wieder eine herzliche Fröhlichkeitnicht aus; sie sind benachbart in jedem Dichterherzen. Und vonweichlichem Thränenrausch war das starke Herz frei, das ausrief:

Von allen guten SchwingenZu brechen durch die Zeit,Die mächtigste im Ringen,Das ist ein rechtes Leid!

Wo der schädliche Lärm des Tages verhallt ist, da fühlt derDichter den Hauch Gottes. Ihm sich einfach hinzugeben dasheißt ihm poetische Wahrheit; und weil besonders Brentauo, den eralspoetischen Schneider" verspottet hat, eigenwillig zusammenrafftund flickt, darum wird er ihm zum Typus der unwahren Poesie.Hier nähert fich also die Romantik in folgerechter Entwickelungwieder Goethe uud feiner Lehre, daß die Gegenstände nur dannwirken wie sie sollten, wenu Auge und Seele rein sind und un-getrübt von Temperament und Absicht:Wenn man solch ein reinesGesühl", schrieb Goethe an Frau v. Stein,mit dem vergleicht,wenn wir uns mühselig im Kleinen umtreiben, alle Mühe unsgeben, ihm so viel als möglich zu borgen und aufzusticken undunserem Geist durch seine eigene Kreatur eine Freude und Futterzu geben, so sieht man erst, wie ein armselig Behelf es ist."

Indem nun Eichendorsf aus der romantischen Subjektivitätden Weg zurück fand zu Goethes Gesetz, die Dinge zu sehen undzu schildern wie sie sind, ist der idealistische Lyriker ein Erzieherdes neueren Realismus geworden. Realistische Anschauung hattenKleist und Hoffmann längst geübt aber an erdachten, nur imGeist gesehenen Bildern. Eichendorsf schildert wirklich wieder einStück Natnr, angesehen durch sein frommes liebevolles Temperament.Noch übt er die Wiedergabe der Dinge und der Stimmungen nuran Lieblingsgegenständen. Eichendorsf ist der Dichter des Abends;wenn der Tag verklungen ist, dann erst zeigt ihm die Natur ihrwahres Gesicht. Auch die volle Soune ist ihm zu grell; den Mondliebt er, nnd dann am meisten, wenn er in einen dunkeln Waldhineinblickt. Diese Stoffwahl liegt freilich noch fernab von derPleine air-Malerei" der Goncourt, von Zolas Freude am Tages-getriebe; und dennoch war zur Eroberung auch des lauten lärmendenTages dieser erste zögernde Schritt vielleicht der schwerste von allen.Die wirkliche Natur abzuzeichueu, wenn auch in bestimmter Be-leuchtung, haben dann jeder in seiner Art alle die vielen Schüler